Dienstag, 26. März 2013

Wie erreicht man Nichtwähler?

forsa Studie Wähler und Nichtwähler 2013
forsa Studie Wähler und Nichtwähler 2013
Seit ein paar Tagen wissen wir nun wer das TV-Kanzlerduell zwischen Kanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) moderieren darf: Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF), Peter Kloeppel (RTL)...und ein neues Gesicht in dieser Runde: Stefan Raab (ProSieben/Sat.1).

Das Stefan Raab in dieser Runde Fragen stellen darf hat er ProSieben Sat.1-Beirat und Ex-Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber zu verdanken, der Stefan Raab in einem großen SPIEGEL-Interview ins Gespräch gebracht hatte.

Über Stefan Raab wurde in den vergangenen Wochen viel diskutiert, dabei ist die Grundlage von Stoibers Forderung, nämlich eine forsa-Umfrage zu den Nichtwählern im Auftrag der ProSiebenSat.1 Media AG fast untergegangen. Aus diesem Grund möchte ich einige spannende Erkenntnisse der Umfrage hinsichtlich des Kommunikations- und Informationsverhaltens von Nichtwählern hier nochmal präsentieren.

Die komplette Studie kann hier als .pdf heruntergladen werden.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sie immer mehr werden. So stieg allein zwischen den Bundestagswahlen 1998 und 2009 die Zahl der Nichtwähler von 10,8 auf 18,1 Millionen Bürger. Wichtigste Erkenntniss der Fokus-Gruppen ist, dass sich diese Wähler nicht komplett aus der Politik zurückziehen, sondern lediglich als "Wähler auf Urlaub" fühlen und hoffen bald wieder an Wahlen teilzunehmen.

Wer sind die Nichtwähler?

Haushaltseinkommen ist bei Nichtwählern geringer als bei Wählern
forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 12

Nichtwähler haben ein signifikant geringeres Haushaltseinkommen als Unentschlossene und Wähler. Insgesamt haben Nichtwähler auch weniger optimistische Wirtschaftserwartungen als Wähler. 



Engegamentbereitschaft bei Nichtwählern nicht so hoch
forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 19


Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Engagement-Bereitschaft bei Nichtwählern geringer ausgeprägt ist, als bei Wählern und Unentschlossenen. So sind 53 Prozent der Wähler, aber nur 34 Prozent der Nichtwähler Mitglied in einem Verein.




Nichtwähler partizipieren genauso häufig an politischen Aktionen wie Wähler
forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 20




Die Beteiligung an Protestaktionen ist allerdings bei Nichtwählern genauso hoch wie bei Wählern. Ebenso  beteiligen sich Nichtwähler fast genauso stark an Unterschriftenaktionen und Bürgerinitiativen wie Wähler. Insgesamt haben sich schon einmal 24 Prozent der wählenden Bundesbürger an einer Protestaktion beteiligt, bei den Nichtwählern sind es 23 Prozent.




Interesse an lokalem Geschehen gleich hoch
forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 17
Überraschend ist auch das Interesse von Nichtwählern am lokalen Geschen vor Ort: Nichtwähler haben ein ebenso großes Interesse an lokalem Geschehen, wie Wähler. Ihnen es also nicht egal, was in ihrem Wahlkreis und vor ihrer direkten Haustür passiert.




 

Wie informieren sich Nichtwähler?

forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 21
60 Prozent der Wähler informieren sich über Politik  im Internet. Nichtwähler tun dies nicht in gleichem Maße, aber trotzdem noch ziemlich stark. Nur Radio, Fernsehen und die lokale Zeitung werden noch häufiger als Informationsquelle genutzt. 








Internet wird von jungen Nichtwählern am meisten zur Information genutzt
forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 23

Bei den beiden jüngeren Altersgruppen, also den 18-29jährigen und 30-45jährigen Nichtwählern sieht das Informationsverhalten dann schon deutlich anders aus. Hier wird das Internet häufiger als alle anderen Medien als Informations-quelle genutzt - auch für politische Inhalte. 


forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 27

Interessant ist zudem der Blick auf die Nutzung von sozialen Netzwerken durch Nichtwähler:
Soziale Netzwerke sowie Blogs oder Internet-Foren werden von den Nichtwählern in etwas stärkerem Maße genutzt als von Wählern und Un- entschlossenen



 

 

Wie werden aus Nichtwählern Wähler? 

forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 52

Auch wenn immer wieder der Ruf nach "mehr direkter Demokratie" laut wird denkt nur ein geringer Anteil der Befragten, dass mit "direkter Demokratie" die Wahlbeteiligung steigen würde: Nur 13 Prozent der Wähler und 23 Prozent der Nichtwähler sind der Meinung, dass ein Mehr an „direkter Demokratie“ zu einer höheren Wahl- beteiligung führe.





forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 53

Im Gegensatz dazu stoßen Online-Wahlen auf sehr viel mehr Zuspruch: Online-Wahlen werden von der Mehrheit der Befragten begrüßt. Insbesondere bei der jungen Zielgruppe, 91 Prozent der unentschlossenen Jungwähler und 70 Prozent der jungen Nichtwähler würden von der Möglichkeit der Online-Wahl gebrauch machen,

Ob allerdings die Wahl- beteiligung tatsächlich steigen würde, wenn es Online-Wahlen gäbe, ist durchaus fraglich.


forsa Studie Wähler und Nichtwähler zu Beginn des Wahljahres 2013, Seite 57



Das Internet wird als Medium von Wählern und Nichtwählern in der Altersgruppe 18-29 Jahre am meisten genutzt. Auch in den anderen Altersgruppen liegt es fast gleichauf mit Fernsehen und lokalen Zeitungen.

Im Wahlkampf 2013 wird also keine Partei diesen Kanal vernachlässigen können und dürfen.



Fazit:


Eine Großzahl der Nichtwähler haben heute das Gefühl, dass viele Politiker kein „Ohr“ mehr für sie, für ihre Sorgen, Nöte, Ängste und Probleme haben. Sie informieren sich aber weiterhin über das politische Geschehen - zumeist im Internet - und sind grundsätzlich bereit bei kommenden Wahlen auch wieder ihre Stimme abzugeben.

All dies zeigt, dass gerade soziale Netzwerke und internebasierte politische Kommunikation ein enormes Potential für die Ansprache von Nichtwählern bieten. In keinem anderen Medium können Politiker Bürgern so gut zuhören, mit ihnen in direkten Dialog treten und auf deren Wünsche und Meinungen direkt und ohne Filter eingehen.

Zudem informieren sich gerade junge Nichtwähler in sozialen Netzwerken und weiteren Internetangeboten über das Weltgeschehen und lokale Nachrichten. Genau hier also erreicht man potentielle Wähler mit seinen Themen.

Auf gehts Wahlkämpfer, die 72,7 Prozent Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl waren ein historischer Tiefstand auf Bundesebene. Zeit das sich was dreht! Die Tools stehen bereit.

Ein Crossposting dieses Beitrages findet sich auch auf politik-digital.de.





Montag, 18. März 2013

Social Media Kompetenz in deutschen Parteien

"Wir haben einmal 1097 Experten befragt...Welche Partei hat die größte Social Media-Kompetenz?"  Was sich anhört wie eine Frage im legendären "Familienduell" von Werner Schulze-Erdel ist die Basis einer ziemlich interessanten Umfrage der Internet World Messe und des Institut ibi Research an der Universität Regensburg.
Herausgekommen ist die Studie "Digitalisierung der Gesellschaft. Aktuelle Einschätzungen und Trends", die im Vorfeld der Internet World am 19. und 20. März in München, nun veröffentlicht wurde.

Die komplette Studie ist hier als .pdf abrufbar.

Da sich nur einige Ergebnisse der Umfrage mit dem Themenfeld Social Media und Politik befassen, möchte ich diese hier kurz herausgegriffen vorstellen:

Piratenpartei besitzt die größte Social-Media-Kompetenz

Balkendiagramm mit Prozentangaben
Quelle: ibi research / Internet World Messe 2013: Digitalisierung der Gesellschaft, Seite 32























Nicht überraschend ist die weit führende Kompetenzzuordnung der Piratenpartei , sondern vielmehr die fast gegen Null tendierenden Werte der Volksparteien. Der SPD und der FDP schreiben nur vier Prozent der befragten Experten eine Kompetenz bei Social Media zu. Die LINKE trifft es noch härter mit nur einem Prozent.

Da die Signale aus dem Vorwahlkampf bereits jetzt zeigen, dass alle Parteien Social Media wesentlich intensiver zu Wähleransprache als noch 2009 einsetzen wollen, müssen sich wohl die Digitalagenturen von SPD, Super J+K als auch Pilot für die FDP einiges einfallen lassen, um die Kompetenzzuschreibung noch zu verbessern.

Bündnis 90/Die Grünen mit größter Internetkompetenz im Bundestag 

 

Balkendiagramme in Prozent
Quelle: ibi research / Internet World Messe 2013: Digitalisierung der Gesellschaft, Seite 28

Auch bei der Internetkompetenz liegt die Piratenpartei mit 48 Prozent klar vor allen anderen Parteien. Von den Parteien, die direkten Einfluß auf den bundespolitischen Gesetzgebungsprozess haben sind Bündnis 90/ Die Grünen nach Ansicht der Experten am kompetentesten beim Thema Internet aufgestellt (10 Prozent). Knapp dahinter die CDU mit 8 Prozent. Überraschend schwaches Ergebnis auch hier für die SPD: Nur drei Prozent.

Dies wird die grünen Netzpolitiker Konstantin von Notz, Jan Philipp Albrecht, Malte Spitz, Oliver Passek und Daniel Mack als auch den CDU-nahen Verein CNetz um Dr. Peter Tauber und Thomas Jarzombek sehr freuen. Die SPD-Netzpolitiker bei D64 (Zentrum für digitalen Fortschritt) müssen sich hingegen fragen ob deren Wirken auch in der Partei und öffentlich wahrgenommen wird. 

Bürger wünschen sich mehr Möglichkeiten, um sich über Social Media an Politik zu beteiligen

56 Prozent der Bürger wollen mehr politische Beteiligung via Social Media
Quelle: ibi research / Internet World Messe 2013: Digitalisierung der Gesellschaft, Seite 30



Dieses Ergenis überrascht nicht, aber es bestätigt bereits vorangegangene Studien z.B. des Arbeitskreises Open Government Partnership Deutschland oder den Forsa Open Government Monitor 2013 von SAS. 

56 Prozent der Experten wünschen sich mehr Möglichkeiten über Social Media bei politische Entscheidungen mitreden zu können. 

Im schönen Kontrast zu den Wünschen stehen meistens die realen Nutzungszahlen z.B: von Social Media bei polilitischen Entscheidungen.

25% der Befragten haben sich bisher via Social Media an Politik beteiligt
Quelle: ibi research / Internet World Messe 2013: Digitalisierung der Gesellschaft, Seite 31


Nur jeder vierte Experte hat sich bisher auch schon einmal an poltischer Willensbildung via Social Media beteiligt. Aber immerhin.

Social Media Nutzung deutscher Parteien


Eine Übersicht über die Social-Media-Nutzung aller deutschen Parteien bietet Pluragraph.de unter:
Social-Media-Ranking deutscher Parteien 

Und nach einzelnen Netzwerken selektiert:
Ranking der deutschen Parteien bei Facebook
Ranking der deutschen Parteien bei Twitter
Ranking der deutschen Parteien bei Google+


Eine ganz ähnliche Umfrage zur digitalen Standortkompetenz der Parteien und Bundestags-Spitzenkandidaten führte Hewlett Packard Government Relations unter 200 Experten durch. Auch hier schneiden Angela Merkel und die CDU/CSU wesentlich besser ab, als Herausforderer Peer Steinbrück und die SPD.

Update: Da Fragen zur Auswahl und Relevanz der befragten Experten kamen, habe ich nochmal bei den Autoren der Studie nachgefragt. Die Studienautoren verfügen über umfangreiche Expertenverteiler in der digitalen Wirtschaft. Diese Verteiler wurden angeschrieben und alle Teilnehmer haben sich freiwillig an der Umfrage beteiligt. Es handelt sich also nicht ausschliesslich um Experten aus dem politisch-digitalen Bereich.

Dienstag, 12. März 2013

Parteien-Websites und Barrierefreiheit: Eher schlechtes Niveau

Logo des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg
Logo des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg
Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Internet eine wichtige Informationsquelle. Mithilfe von Screenreader, Sprachausgabe und Braillezeile ist das Surfen möglich. Aber auch die Webseiten müssen einige Voraussetzungen mitbringen. Das Stichwort hierfür ist Barrierefreiheit. 2009 habe ich die Websites der Bundesparteien und der Parteien in Schleswig-Holstein auf Barrierefreiheit getestet: mit ernüchterndem Ergebnis. Ist das Thema seitdem bei den Parteien im Bundestagswahljahr 2013 angekommen?  Sind zum Beispiel Hamburgs Parteien-Seiten für blinde und sehbehinderte Menschen nutzbar?


SPD Hamburg









Screenshot der Webseite der Hamburger SPD
Screenshot der Webseite der Hamburger SPD
Meine Sprachausgabe findet als erstes Sprunglinks. Diese ermöglichen mir das direkte Ansteuern von Navigation, Inhalt oder Sidebar. Positiv fallen auch Orientierungspunkte (WAI-ARIA Landmarks) auf, die blinde Nutzer gezielt ansteuern können. Überschriften sind im HTML ausgezeichnet, allerdings sind die Überschriften-Ebenen unlogisch. Grafiken haben durchgehend Alternativ-Texte, diese sind leider nicht immer aussagekräftig. Optimierungsbedarf gibt es auch bei den Themen Tastaturbedienbarkeit und Anpassbarkeit der Inhalte an individuelle Bedürfnisse, wie Schriftgröße oder eigene Farbschemata.


Fazit: Ansätze von Barrierefreiheit erkennbar.




CDU Hamburg 

Logo der CDU Hamburg
Screenshot der Webseite der CDU Hamburg
Screenshot der Webseite der CDU Hamburg




Der Inhaltsbereich der Startseite besteht praktisch nur aus einer großflächigen Animation, die speziell für Menschen mit Sehbehinderung schwierig zu handhaben ist. Es gibt Überschriften, die ich direkt mit meinem Screenreader ansteuern kann, aber alle Überschriften sind als Überschrift auf der Ebene 2 ausgezeichnet, somit erschließt sich mir keine Struktur. Grafiken und Schaltflächen besitzen aussagekräftige Alternativ-Texte – lediglich bei der Suche könnte die Schaltfläche noch vom englischen „Submit“ ins Deutsche übersetzt werden. Die Inhalte des Webangebots lassen sich schlecht an individuelle Bedürfnisse anpassen.


Fazit: Optimierungen hinsichtlich Barrierefreiheit nicht erkennbar.



Bündnis 90/ Die Grünen Hamburg 

Logo Bündnis 90/Die Grünen Hamburg






Screenshot der Webseite von Bündnis 90/ Die Grünen Hamburg
Screenshot der Webseite von Bündnis 90/ Die Grünen Hamburg
Sprunglinks und Orientierungspunkte suche ich auf der Startseite der Grünen vergebens. Ich versuche mir also die Seite über die Überschriften zu erschließen. Das gelingt nur bedingt, denn Auch die Grünen müssen an der Logik der HTML-Überschriften-Struktur arbeiten. Grafiken verfügen über keinen oder nur über einen nicht aussagekräftigen Alternativtext. Beispiele: „Banner/Plakat200“ oder „Tag der Muttersprache“. Was sieht der sehende Nutzer da? Ich weiß es nicht. Die Inhalte des Webangebots lassen sich außerdem schlecht an individuelle Bedürfnisse anpassen.



Fazit: Optimierungen hinsichtlich Barrierefreiheit nicht erkennbar.




Die LINKE. Hamburg 
Logo Die LINKE. Hamburg







Screenshot Webseite Die LINKE Hamburg
Screenshot der Webseite Die LINKE Hamburg
Häufig gibt es grafische Banner, die auf Kampagnen oder Termine hinweisen. Hier fehlen oft Textalternativen. Irritierend ist auch die von der visuellen Darstellung abweichende Reihenfolge der Inhalte. So taucht bei der Nutzung im Screenreader als erstes die Überschrift "Termine" auf, in der Standardansicht ist das nur ein Nebeninhalt. Positiv ist die Skalierbarkeit der Inhalte. Besonders negativ: Die Website ist im Internet Explorer nicht mit der Tastatur bedienbar. Für Menschen die keine Maus nutzen können – zum Beispiel aufgrund motorischer Einschränkungen - ist das Angebot damit praktisch unzugänglich.


Fazit: Optimierungen hinsichtlich Barrierefreiheit nicht erkennbar.




FDP Hamburg

Logo der FDP Hamburg












Screenshot der Webseite der FDP Hamburg
Screenshot der Webseite der FDP Hamburg
Auch bei der FDP vermisse ich Sprunglinks und Orientierungspunkte. Überschriften sind als solche zwar ausgezeichnet, bewegen sich aber alle auf Ebene 2 und 3 (möglich sind 6 Ebenen). Überschriften-Ebenen sollten die Struktur der Seite widerspiegeln. Dass es keine Ebene 1 gibt, ist verwirrend. „uploads/slider-lifhh-2013-02-19“ liest mir meine Sprachausgabe bei der ersten Grafik vor, „images/button-canel“ an anderer Stelle. Allen Grafiken fehlt es an Alternativ-Texten. Auch bei der FDP lassen sich die Inhalte des Webangebots schlecht an individuelle Bedürfnisse anpassen.


Fazit: Optimierungen hinsichtlich Barrierefreiheit nicht erkennbar.



Piratenpartei Hamburg

Logo der Piratenpartei Hamburg







Screenshot der Webseite der Piratenpartei Hamburg
Screenshot der Webseite der Piratenpartei Hamburg

Bei der Piratenpartei finde ich endlich mal wieder einen Sprunglink, mit dessen Hilfe ich direkt zum Inhalt springen kann. Orientierungspunkte gibt es auch, allerdings gibt es nur Navigationsregionen, aber keinen Orientierungspunkt für den Inhalt, die Suche oder Ähnliches. Überschriften sind ausgezeichnet und strukturiert. Grafiken erkennt mein Screenreader nur zwei: „Logo Piratenpartei Hamburg“ und „PressemitteilungLVHH“ – was der sehende Nutzer bei letzterer Grafik sieht, bleibt mir verborgen. Und auch hier lassen sich die Inhalte des Webangebots schlecht an individuelle Bedürfnisse anpassen.


Fazit: Ansätze von Barrierefreiheit erkennbar.


Zusammenfassung:



Einen klaren Gewinner oder Verlierer gibt es in diesem Vergleich nicht. Die Websites der Hamburger Parteien bewegen sich trotz einiger Ausrutscher nach oben und unten hinsichtlich der Barrierefreiheit auf einem vergleichbaren, eher schlechten, Niveau. Ansätze von Barrierefreiheit sind lediglich bei der SPD und den Piraten erkennbar.

Das Ergebnis ist enttäuschend. Das Thema Barrierefreiheit ist immer noch nicht selbstverständlich. Während Behörden und staatliche Einrichtungen schon lange verpflichtet sind, ihre Webangebote zugänglich zu gestalten - siehe BITV 2.0 -, sind Parteien es nicht. Aufgrund ihrer exponierten Rolle in der politischen Willensbildung, sollten sie sich endlich des Themas annehmen. Schon aus Eigennutz: In Hamburg leben 3.000 blinde und 50.000 sehbehinderte Menschen, 12% der Bevölkerung haben eine anerkannte Behinderung. Dies sind über 3% der Hamburger Wahlberechtigten. Bisher schließen die Webangebote der Hamburger Parteien diesen Teil der Wählerschaft zu großen Teilen aus.  


Hinweis:

Dieser Test vermittelt lediglich einen ersten Eindruck. Es wurden dabei nur die Startseiten berücksichtigt. Außerdem wurden nur einige wenige Aspekte rund um Barrierefreiheit überprüft. Umfangreiche Tests bietet zum Beispiel die BIK-Beratungsstelle des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg an. Hier können sich Interessierte auch zum Thema beraten lassen. 

Der Autor

Foto von Heiko Kunert
Heiko Kunert (36) ist Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und ist selbst blind. 
Er bloggt auf blindpr.com und im Inklusionsblog der Aktion Mensch










Anmerkung Hamburger Wahlbeobachter
Auch dieser Blog ist noch nicht zu 100% barrierfrei gestaltet. Dies hat zum großen Teil mit der verwendeten Blogsoftware von blogger.com zu tun. Der Gastbeitrag ist aber Anlaß den Blog zukünftig noch stärker barrierefrei zu gestalten. Für die wertvollen Anmerkungen und Hinweise danke ich Heiko Kunert.  

Update 
Da sage noch einer Blogs haben keinen Einfluß. Innerhalb von 24 Stunden nach Veröffentlichung haben alle sechs getesteten Parteien angekündigt ihre Webseiten zu überarbeiten und diese barierefreier zu gestalten. Danke! 


Dienstag, 5. März 2013

Politrüpel, Kriegstreiber und Ferkel - Ordnungsrufe in der Bürgerschaft

Logo der Hamburgischen Bürgerschaft
An vielen Orten der Hansestadt zog man in den letzten Tagen Halbzeitbilanz des SPD-Senats unter Olaf Scholz. Dabei gab es Lobhudeleien, Abrechnungen, emotionale Ausbrüche und Schulterklopfer - je nach parteipolitischer Färbung der Bilanz.

Deshalb möchte ich die parlamentarischen Bilanzen um eine weitere ergänzen, die der Ordnungsrufe.In der vergangenen zwei Jahren fanden 54 Plenarsitzungen in der Hamburgischen Bügerschaft statt. 

In diesen Sitzungen gab es lediglich sieben offizielle und dokumentierte Ordnungsrufe durch das Präsidium der Bürgerschaft. Nach Fraktionen verteilt ergibt sich folgende Ausbeute: 

SPD III
CDU
Grüne I 
Linke III 
FDP

Der Ordnungsruf gehört zu den härtesten Sanktionsmitteln eines Abgeordneten durch das Parlament.

Aber für was bekommt man denn eigentlich einen Ordnungsruf?


Am Rednerpult: "Bei keinem Mann würden Sie sich darüber aufregen. Der Kollege dahinten mit seinem gelben Schlips, Herr Wersich, hat – ich zitiere jetzt einmal – von "Verarschung" gesprochen und das fanden Sie überhaupt nicht schlimm. Kaum sagt eine Frau einmal – ich zitiere –"scheißegal", müssen Sie das ewig ausbreiten." (Heike Sudmann, Die LINKE.)

Zwischenruf: "Gerade nicht bei dieser Scheiße!
(Norbert Hackbusch, Die LINKE.)

Am Rednerpult: "Es ist nett, dass Sie nach vier Minuten einmal für Ruhe sorgen, Frau Präsidentin, vielen Dank." (Urs Tabbert, SPD)  

Zwischenruf (bezogen auf vorherigen Ordnungsruf):"Das ist auch nicht in Ordnung, Sie unterbrechen ihn dauernd!" (Arno Münster, SPD)

Nachträglicher Ordnungsruf nach Beratungen des Ältestenrates: Für einen ungenauen und nicht bewiesenen Vorwurf gegenüber der FDP, dass diese mit der Glücksspielindustrie paktiert.
(Kersten Artus, Die LINKE.) 

Zwischenruf: "Das ist doch schon seit 40 Jahren so!"
(Gabriele Dobusch, SPD)

Benutzung von Facebook: Posting eines Fotos aus dem Plenarsaal auf dem sozialen Netzwerk Facebook (Farid Müller, Bündnis 90/Die Grünen)
Mehr hierzu habe ich auch schon an anderer Stelle gebloggt




Vor einigen Jahren zitierte die Hamburger Morgenpost einmal eine inoffizielle Liste des damaligen Bürgerschafts-Präsidiums mit 150 Begriffen, die man im Parlament nicht in den Mund nehmen durfte, darunter unter anderem: Polititrüpel, Kriegstreiber und Ferkel. 

Auf Anfrage an das aktuelle Präsidium der Bürgerschaft wurde mir versichert, dass es solch eine Liste, ein Wörterbuch für den parlamentarischen Sprachgebrauch nicht gibt. Grundsätzlich ist es so, dass der Präsident/die Präsidentin im Moment der Sitzungsleitung das Hausrecht ausübt und allein, gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Präsidium entscheidet, welches Verhalten einen Ordnungsruf nach sich zieht. Das Präsidium sieht sich aber nicht als Zuchtmeister des Parlaments, vielmehr sollen  die Ordnungsrufe das faire und kollegiale Verhalten fördern.


Die komplette Übersicht über die 150 Begriffe, die 2009 auf der Liste der "verbotenen Worte" standen, sind auf den Seiten der Hamburger Morgenpost dokumentiert:

Von Agent bis Frechheit 
Von gelogen bis Politrüpel  
Von Quaknase bis armseliger Zwischenrufe


Copyright Foto:  Riedel, Dubring, Bäuerin mit Ferkeln. Bundesarchiv, Bild 183-73965-0001 / CC-BY-SA unter CC-BY-SA 3.0-Lizenz von Wikimedia Commons.