Mittwoch, 20. Mai 2015

Social Media im Bürgermeisterwahlkampf – Deal-Breaker oder Game-Changer?

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Mueller und Thomas Widenka. Beide gehörten dem Wahlkampfteam von Bürgermeister Marian Schreier (SPD) federführend an. Markus T. Mueller ist Student an der Universität Passau und Thomas Widenka an der LMU München. 

Bürgermeister Marian Schreier (SPD)
Am 01. März 2015 wurde Marian Schreier im Alter von 25 Jahren in der Stadt Tengen zum jüngsten hauptamtlichen Bürgermeister Deutschlands gewählt. Anders als in Kommunalwahlkämpfen üblich, spielten Online-Kanäle in Schreiers Kampagne eine entscheidende Rolle. Sein Wahlergebnis von rund 71 Prozent zeigt: Auch im ländlichen Raum können Social Media zum Erfolgsrezept avancieren. Und so schrieb ZEIT Online zwei Tage nach Schreiers Wahl: „Wahlkampf kann der Junge“. Musste er auch, denn sein Alter, seine Parteizugehörigkeit (SPD) und nicht zuletzt die Tatsache, dass mit Robert Hein ein doppelt so alter, von der CDU unterstützter Politikberater bereits vier Wochen früher seinen Wahlkampf eröffnet hatte, sprachen im konservativen Süden Baden-Württembergs klar gegen ihn.


Strategische Überlegungen im Wahlkampf


Screenshot
Facebook-Seite Marian Schreier
Erstens, Reichweite generieren, aber wie? Schreier war gewissermaßen auf einen Online-Wahlkampf angewiesen, da er sich ohne Führerschein in einer Flächengemeinde mit neun Teilorten wiederfand. Das Problem: Wie so oft im ländlichen Raum fand auch in Tengen politische Kommunikation nicht online statt. Folglich musste Online-Reichweite zunächst offline generiert werden. Deshalb lud Schreier die Wählerinnen und Wähler bei klassischen Formaten wie Hausbesuchen oder seinen eigenen Wahlkampfveranstaltungen explizit ein, ihm auf seiner Facebook-Page zu folgen. Dadurch konnte mittelfristig ausreichend Reichweite gewonnen werden, um Inhalte auch über Social Media kommunizieren zu können.

Einladung zur U30-Veranstaltung via Facebook
Resonanz auf die U30-Veranstaltung
Zweitens, war es für die Kampagne entscheidend, junge Wählerinnen und Wähler über Facebook anzusprechen und diese Ansprache so zu gestalten, dass aus Zustimmung Unterstützung wird. So konnte eine Altersgruppe einbezogen werden, die sich über klassische Kanäle wie Mitteilungsblatt oder Stammtisch schlicht nicht erreichen lässt. Häufig spielt die Jugend in Bürgermeisterwahlkämpfen ohnehin keine Rolle, da sich viele Kandidaten von vornherein am Klischee der politikverdrossenen und mobilisierungsresistenten Jugend orientieren und dieser kleinen Wählergruppe (in Tengen ca. 10 Prozent der Wahlberechtigten) kaum Beachtung schenken. Schreiers Ansprache jedoch wurde zum echten Game-Changer. Er initiierte eine Facebook-Gruppe, die den jungen Tengenerinnen und Tengenern die Möglichkeit gab, direkt über Termin und Themen einer U30-Veranstaltung abzustimmen. So angesprochen, entwickelte sich unter den jungen Wählerinnen und Wählern eine Dynamik. Die Veranstaltung mit einer der am schwierigsten zu mobilisierenden Zielgruppe wurde zu der am besten besuchten Veranstaltung des Wahlkampfs. Innerhalb der Facebook-Gruppe begannen sich Unterstützer zu formieren. Im Gegensatz zu einem Facebook-Event wurde so aus der Gruppe eine veritable Mobilisierungsplattform.

Screenshot
Reichweite des Wahlkampftagesbuches
Drittens, wollte Schreier seine Reichweite (mittlerweile folgte ihm ca. ein Sechstel der wahlberechtigten Tengenerinnen und Tengener auf Facebook) für die Schlussmobilisierung nutzen. Kreiert wurde ein Online-Wahlkampftagebuch, welches den Wählerinnen und Wählern in Form eines Facebook-Fotoalbums präsentiert wurde. Ziel des Tagebuchs war es dabei, sowohl diejenigen Wählerinnen und Wähler nochmals zu aktivieren, welche den Wahlkampf bereits verfolgt hatten, als auch jene, welche bisher noch keine Berührungspunkte mit den Kandidaten hatten. Durch das niedrigschwellige Format eines Facebook-Fotoalbums konnte jeder
Tagebucheintrag als ein Foto aufbereitet und somit die unterschiedlichen Zielgruppen oder Ortsteile separat angesprochen werden. So war es möglich entweder das Tagebuch als Ganzes oder einzelne Einträge zu liken, zu teilen oder auf mobilen Endgeräten weiterzuverbreiten. Das Tagebuch konnte über die Facebook-Gruppe rasch in Umlauf gebracht werden und die Ankündigung des Tagebuchs auf der öffentlichen Kandidatenvorstellung sorgte zusätzlich für großes Interesse.

Einblick in das Online-Wahlkampftagebuch: Eintrag zum Themenkomplex Tourismus



Zum Wahltag hatte das Tagebuch innerhalb einer Woche fast 18.000 Post-Clicks und über 60 Shares erhalten sowie mehr als 1.000 Personen erreicht (Wahlberechtigte insgesamt: rund 3.500). Schließlich fand sich das Tagebuch nach der Wahl sogar im Studio der SWR-Landesschau wieder, als Schreier zusammen mit seinem Amtsvorgänger Helmut Groß zu Gast war.

Lessons learned


Durch die große Hebelwirkung der Social Media-Integration, wurde Facebook im Verlauf des Wahlkampfs zu einer festen Größe, die nun auch im Hinblick auf die beginnende Amtszeit eine Möglichkeit bietet, nachhaltig mit den Bürgerinnen und Bürgern in Dialog zu treten.

Nach diesen Erfahrungen lauten unsere Empfehlungen für den Einsatz von Social Media in der kommunalen Arena daher:
  • Langfristig denken, nicht mit der Tür ins (Social Media-)Haus fallen und nicht für sich allein stehend einsetzen. Die sinnvolle Kombination von offline und online Aktivitäten erhöht den Nutzen der Offline-Klassiker im kommunalen Bereich beträchtlich.
  • Sich der Zielgruppen bewusst werden und frühzeitig die multiplizierenden Gruppen erreichen.
  • Nachhaltige Formen der Kommunikation verwenden – eine Facebook-Gruppe ist möglicherweise länger als Kommunikationskanal geeignet (in beide Richtungen!), als eine Facebook-Veranstaltung.

Autoren


Markus Mueller
Markus Mueller war Mitglied des Wahlkampfteams von Marian Schreier. Dort war er u.a. verantwortlich für die Social-Media-Kampagne.  Er studiert Governance and Public Policy im Master an der Universität Passau. 
Twitter: @ma_mu_te





 

 

 
Thomas Widenka war Mitglied des Wahlkampfteams von Marian Schreier. Dort war er u.a. für Grafik und Text verantwortlich.  Er studiert Politikwissenschaft im Master an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.








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