Freitag, 5. August 2016

Werden Facebook und Twitter als politische Medien überschätzt?

Dies ist Gastbeitrag von Benjamin C. Sack. Er ist ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung „Empirische Politikforschung“ des Instituts für Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg Universität Mainz. Bei vorliegendem Beitrag handelt es sich um die Kurzusammenfassung des Abschlussberichts des Forschungsprojektes „Politische Kommunikation in Zeiten neuer Informations- und Kommunikations- technologie". Das Projekt wurde durch die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) gefördert und finanziert.

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Was seit Jahren in der öffentlichen Debatte unter dem Stichwort „Politikverdrossenheit“ diskutiert wird, ist innerhalb der empirischen Politikforschung vor allem als Phänomen abnehmender politischer Unterstützung bekannt. Symptome sind etwa nachlassendes Vertrauen in politische Institutionen, zunehmende Wahlmüdigkeit, abnehmende Zufriedenheit mit dem politischen Prozess sowie eine zunehmende Skepsis gegenüber der Demokratie als politisches Ordnungsmodell. Die empirische Evidenz dieser Prozesse ist in Bezug auf alle westlichen Demokratien seit längerem gegeben. Neuerdings wird innerhalb der Forschung diskutiert, ob wir gegenwärtig eine „Krise der Demokratie“ erleben.

Mit der zunehmenden Relevanz des Internets als Informationsmedium wird in diesem Zusammenhang seit geraumer Zeit die Hoffnung verbunden, dass von Politik entfremdete Teile der Bevölkerung reaktiviert und zur politischen Beteiligung (re-)animiert werden könnten. Dies gilt vor allem für die sozialen Online-Netzwerke, die die interpersonelle Kommunikation in den vergangenen Jahren revolutioniert haben. Gerade die nachwachsenden Generationen der „Digital Natives“ werden dabei mit neuen Modellen politischer Beteiligung und politischer Kommunikation in Verbindung gebracht. Als exemplarisch gelten etwa Konzepte wie „Liquid Democracy“, die beispielsweise von der Piratenpartei als Alternative vorgeschlagen und in Teilen parteiintern auch umgesetzt und gelebt werden. Der Zuspruch zu solchen neuen Modellen lässt sich aber auch an der Unterstützung der Piratenpartei ablesen, die auf einem Tiefpunkt angekommen ist. Das Ändern des Profilbildes bei Facebook wiederum gilt mittlerweile als politisches Statement und man kann sich dem subjektiven Eindruck nicht verwehren, dass auch dort zunehmend über Politik diskutiert wird

Umfrage: Beteiligen Sie sich an politischen Diskussionen auf Facebook
Abbildung1: Infografik Munich Digital Institute

Somit steigt das Interesse am Internet im Allgemeinen in Form eines neuen politischen Kommunikations- und Partizipationskanals stetig, und zunehmend werden auch mit den sozialen Netzwerken – im speziellen Facebook und Twitter - die gleichen Hoffnungen verbunden. Social Media fördere den Austausch zwischen Regierten und Regierenden, trüge aber auch zur politischen Diskussion innerhalb der Bevölkerung bei und erleichtere den Informationszugang, so Annahmen und Argumente. Ob das so ist, ob also die politische Kommunikation tatsächlich von den sozialen Online-Netzwerken tangiert wird und wenn ja wie, war die grundlegende Frage eines Forschungsprojekts, das wir im Laufe der vergangenen Jahre an der Universität Mainz durchgeführt haben. Uns hat dabei zum Beispiel interessiert welchen Stellenwert Facebook und Twitter im Vergleich zu traditionellen Medien wie dem Fernsehen, Zeitungen, dem Radio und anderen in Bezug auf die Informationsaufnahme haben oder auch wie sehr sozialen Online-Netzwerken und den darin gewonnen Informationen vertraut wird. Wir wollten erfahren, wie Bürgerinnen und Bürger Social Media nutzen um sich über Politik auszutauschen und in welchem Ausmaß und mit welchen „Freunden“ dies geschieht. 

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Abbildung 2: Nutzung verschiedener Medien für Informationen über Politik
 

Hierzu haben wir in den Jahren 2013-2015 einen Teil der bundesdeutschen Bevölkerung fortlaufend befragt. Insbesondere zu Verhalten und Einstellungen in und gegenüber Social Media in Bezug auf die politische Kommunikation. Dabei sind interessante Erkenntnisse zu Tage getreten. Die weit verbreitete Hoffnung, Social Media könnten einen nachhaltigen Einfluss auf die Revitalisierung politisch desinteressierter Bevölkerungsteile haben, konnte bisher nicht erfüllt werden.

Festhalten lässt sich auf Basis der Daten vor allem die niedrige Stellung, die Facebook und Twitter im Vergleich zu etablierten Medien insbesondere in der Nutzung, im direkten Austausch über Politik und der Vertrauenswürdigkeit ausmachen. Dabei lassen sich zwar leichte Altersunterschiede ausmachen - so nutzt die Gruppe der 18-39 Jährigen Social Media häufiger, als die Gruppe der 40-60 und der über 60 Jährigen, und vertraut diesen Kanälen auch mehr – die Unterschiede sind jedoch marginal und Nutzung wie Vertrauenswürdigkeit bewegen sich durchgehend auf niedrigem Niveau.

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Abbildung 3: Austausch mit anderen Personen über Politik und das politische Geschehen

Ein ähnliches Bild zeigt die Betrachtung der aktiven Suche und Aufnahme neuer Informationen über Politik bei Facebook. Die Daten zeigen, dass dies für den Großteil der Befragten nur in geringem Maß zutrifft und sich in der Zeit von 2013 bis 2015 daran wenig bis nichts verändert hat. Die allerwenigsten der Befragten nehmen bei Facebook neue Informationen über Politik auf, also Dinge, die sie vorher noch nicht wussten. Und insgesamt nehmen im gesamten Zeitverlauf der Befragung mehr als zwei Drittel der Facebook-Nutzer keinerlei neues Wissen über Politik bei Facebook auf. Ganz ähnlich zeigt sich die Verteilung bei der Frage, ob neue Informationen zu einem Thema aktiv gesucht werden, welches in einem Facebook-Beitrag angesprochen wurde. Äquivalent sieht die Verteilung bei der aktiven politischen Kommunikation aus. Beiträge zum Thema Politik werden selten geliked, seltener geteilt und noch wesentlich seltener selbst verfasst. Von 2013 bis 2015 wurden solche Aktivitäten von 65% bis zu 86% der Befragten selten oder sogar nie ausgeführt. 

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Abbildung 4: Vertrauenswürdigkeit verschiedener Quellen in Bezug auf Informationen zur Politik
   
Interessant und bedenklich zu gleich ist jedoch, dass es Tendenzen zu Echokammern und Filterblasen gibt. Andere Facebook-Nutzer können ausgeblendet, aus der Freundesliste entfernt oder blockiert werden. Insbesondere wenn dies aus politischen Erwägungen heraus geschieht, könnten hier die Ursachen einer sogenannten „Filterbubble“ liegen. Dies geschieht inzwischen häufiger – vor allem weil aus Sicht der Facebook-Nutzer zu viele politische Beiträge gepostet wurden: Hier erhöhte sich der Anteil derjenigen, die aus diesem Grund bereits Personen aus der Freundesliste entfernt oder blockiert haben um fünf Prozentpunkte von durchschnittlich 9% im Jahr 2013 auf insgesamt 14% im Jahr 2015. Das zweite Motiv ist, dass ein politischer Beitrag veröffentlicht wurde, der nicht der eigenen Meinung entsprach oder beleidigend war: Hier stieg der Anteil der Facebook-Nutzer, die aus diesem Grund Personen aus der Freundesliste entfernen oder blockieren sogar um sieben Prozentpunkte von durchschnittlich 10% im Jahr 2013 auf insgesamt 17% im Jahr 2015. In diesem Anstieg ist durchaus ein Muster erkennbar, das in der Konsequenz zu Informationsblasen führen kann. Für die anderen beiden Motive nach denen wir gefragt haben zeigen sich keine Veränderungen im Zeitverlauf. 

 

FAZIT  

 

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Abbildung 5: Persönliche Facebook-Nutzung
Insgesamt lässt sich somit auf Basis der Daten festhalten, dass der Stellenwert von sozialen Online-Netzwerken wie Facebook und Twitter für den Gewinn politischer Informationen ausgesprochen gering ist. Die Netzwerke rangieren hinter allen anderen traditionellen Medien. Auch im Vergleich interpersoneller Kommunikation liegen etablierte Kreise wie die Familie, Freunde und Kollegen im Stellenwert weit über den sozialen Medien. Zudem wird Social Media in Bezug auf die Bereitstellung von politischen Informationen sehr viel weniger Glaubwürdigkeit beigemessen. Interessant und von demokratietheoretischer Relevanz scheinen jedoch die Befunde zu sein, die sich zur sogenannten „Filterbubble“ ergeben haben sowie zu der Frage, ob sich Nutzer sozialer Online-Netzwerke vielleicht selbst in eine solche Blase manövrieren. Tendenzen sind hier durchaus erkennbar.

Abbildung 6: Persönliche Facebook-Nutzung
Die in Social Media gesetzte Hoffnung durch eine veränderte Art der politischen Kommunikation die Anteile der Bevölkerung, die sich zunehmend mit Politik oder deren Akteuren unzufrieden zeigen und sich in der Folge vom politischen Prozess abwenden zu reaktivieren und wieder einzugliedern scheint sich auf Basis der Daten also nicht zu erfüllen. Informationen werden in erster Linie weiterhin über traditionelle Medien bezogen, diesen wird zudem mehr vertraut und in sozialen Online-Netzwerken wird wenig über Politik gesprochen. Da soziale Medien aber ein sehr junges Phänomen sind und sich im digitalen Zeitalter die Welt in immer kürzeren Abständen komplett zu wandeln scheint steht die Erforschung der politischen Kommunikation innerhalb von Social Media erst am Anfang und fortwährend vor neuen Herausforderungen und Fragestellungen.


Literaturhinweis

Weitere Informationen zu Erhebungsmethode, Frageformulierung, Fallzahlen sind innerhalb das Abschlussberichts verfügbar. Dieser ist als .pdf hier abrufbar.










Autor

Benjamin C. Sack ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung „Empirische Politikforschung“ des Instituts für Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsinteressen liegen in der vergleichenden Einstellungs- und Werteforschung (insbesondere in der politischen Kulturforschung), in der vergleichenden politischen Partizipationsforschung, den Voraussetzungen und Folgen direkter Demokratie und der Untersuchung der Verbindung von politischer Kommunikation und neuen sozialen Medien. 
Kontakt: sack@politik.uni-mainz.de


4 Kommentare:

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