Wahlbeobachter in den Medien

Mittwoch, 11. August 2021

Einfluss nehmen Like a Pro - Diese 4 Geheimwaffen der Influencer:innen brauchen Politiker:innen, um sich fit für Social Media zu machen

Dies ist ein Gastbeitrag von Nadine Müller. Die vorliegenden Erkenntnisse sind Teil ihrer Masterarbeit an der brand university of applied science Hamburg, die sie bei Prof. Dr. Yonca Limon-Calisan abgelegt hat.

Playbook
Influencer Tactics Playbook von Nadine Müller
 “Die Zerstörung der CDU” von Rezo hatte 2019 die Schlagkraft, den Ausgang der Europawahl
nachhaltig zu beeinflussen. Das Video traf das traditionelle, konservative Umfeld unerwartet; die
Reaktion darauf glich einer Schockstarre. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte wohl kaum ein:e deutsche
Politiker:in Social Media Influencer:innen als ernstzunehmende politische Akteure wahrgenommen.

Doch 2019 hat sich in der Lifestyle Welt auf Social Media der Ton geändert: er ist politischer, er ist
aktivistischer, er ist die Stimme der Generation Z. Influencer:innen wie Rezo oder Louisa Dellert
sprechen auf ihren Plattformen über politische Themen, vereinfachen diese und schaffen damit
Verständnis und Interesse bei jungen Menschen
. Influencer:innen folgen durch ihre Positionierung
einer noblen Zielsetzung, den sich auch Politiker:innen zu Herzen nehmen sollte
n: Es ist ihnen ein Anliegen die Generation der jungen und zukünftigen Wähler:innen in den demokratischen Austausch zu involvieren und zu politisch aktiven Individuen zu machen.
 

#1 Wissen ist Macht - Das Neuland zur eigenen Bühne erklären, für heute, für morgen und für jeden Tag danach.


Influencer:innen beherrschen das Social Web aus dem FF: Sie nutzen ihre Kanäle mit sehr hoher,
kontinuierlicher Frequenz. Sie testen neue Features und Formate, sie probieren, verwerfen und
integrieren gut funktionierenden Content in ihre Strategie. Sie wissen um die Macht des Algorithmus
und den Kampf um Reichweite. Um diesen Kampf zu gewinnen nutzen sie die richtigen Tags, haben
die richtigen Freund:innen und Unterstützer:innen, sowie Community Management als Tools. Das
Ergebnis sind nachhaltig aufgebaute Communities und Fürsprecher:innen.

Um das zu schaffen braucht es vor allem Mut und Plattformverständnis. Beides bringen
Influencer:innen mit: Es liegt ihnen als Digital Natives in der DNA.

Auch wenn viele Politiker:innen weder Millennials sind, noch der Gen Z angehören, sollte das Internet
und Social Media schon lange kein Neuland mehr sein. Das wichtigste ist sich offen gegenüber
Neuem zu zeigen, auszuprobieren und zu lernen.
Heute gehört zu einer klassischen
Medienkompetenz auch die Fähigkeit neue Medien bespielen zu können. Politiker:innen müssen den
Umgang mit Plattformen lernen und deren Vorteile einordnen können. Erst durch Wissen können
Plattformen authentisch und glaubwürdig bespielt werden. Und auch erst dann ist es Politiker:innen
möglich Social Media in den Politik-Alltag zu integrieren und als festen, wichtigen Bestandteil der
politischen Arbeit zu sehen.

Alleine ist das beinahe nicht zu bewältigen, darum ist es empfehlenswert regelmäßige
Trainings und Workshops zum Thema Social Media zu integrieren. Alle Politiker:innen sollten
permanent up-to-date gehalten werden.

Die FDP-Spitze zeigt bereits seit 2017, dass Offenheit und Interesse an der Digitalisierung und
digitalen Kanälen der Schlüssel zum Erfolg auf diesen Plattformen ist. Mit der Aufstellung eines
Teams und sehr regelmäßigem Austausch zu Plattform-Trends und Entscheidungen über Formate
und Kanäle gemeinsam mit dem Politiker, schafft es Christian Lindner einer der Best Practices in
Deutschland zu sein. Das eigene Interesse an Digitalthemen von Politiker:innen gepaart mit einem
Team, dass dieselben Interessen teilt, ist der Schlüssel sich dem Ansatz der Influencer:innen als
Politiker:in anzunähern.

Quelle: @christianlindner Instagram, Ein Blick auf das Instagram Profil zeigt die Zusammenarbeit
zwischen Team (TL) und Christian Lindner (CL). 40 % übernimmt der Politiker selbst (siehe oben
rechts) - Team Beiträge und eigene Beiträge des Politikers sind immer mit CL oder TL
gekennzeichnet, was für Transparenz in den Profilen sorgt.


#2 Persönlichkeit ist mehr als die Person hinter dem Rednerpult - Die “Marke Mensch” ist essenziell.


Das wichtigste Gut von Influencer:innen ist die eigene Persönlichkeit. Sie sind so beliebt wegen ihrer
authentischen, echten Personal Brand. Ihr Profil steht für einen Menschen mit Gefühlen, mit
Überzeugungen und mit festen Meinungen. Dazu stehen sie. Immer. Und genau das macht ihre
Authentizität aus. Sie kommunizieren ihre Themen und ihre Expertise 24/7 und treten mit ihrem
Content in den direkten Austausch mit ihrer Community
. Sie beherrschen die Kunst der direkten
Kommunikation, aber auch des Zuhörens. Dadurch schaffen sie es zu in einer Sprache zu antworten,
die junge Generationen hören wollen, eine Sprache die sie selbst sprechen. Sie begegnen ihren
Follower:innen mit Respekt
und sind offen für kontroversen Dialog.

Auch für Politiker:innen zählt im Social Web die Persönlichkeit, die Personal Brand. Diese haben
Politiker:innen bereits - aber sie ist zugeschnitten auf klassische Mediengattungen. Für Social Media
heißt Personal Branding ein bisschen mehr als in anderen Gattungen. Es braucht in diesen Kanälen
nicht nur die Politiker:innen Marke, es braucht eine starke Personal Brand. Und diese steckt in jeder
Politikerin und jedem Politiker. Der Grund Politiker:in zu werden hängt bei den meisten mit dem
Wunsch zusammen etwas verändern und bewegen zu wollen. Dinge die einem persönlich am Herzen
liegen. Genau diese Dinge sollten Politiker:innen zusätzlich zu der politischen Agenda in ihrem Social
Media Profilen zum Leben erwecken und in Inhalten platzieren. Es geht darum, die Persönlichkeit zu
zeigen, persönliche Meinungen, Themen die einen ganz besonders bewegen.
Es sind die Dinge, die
die Persönlichkeit schärfen und erst das Profil der Marke Mensch ergeben.

Das Zauberwort ist “Authentizität” - sich selbst immer treu, persönlich, aber nie privat.

Ein Politiker, der diesen Ansatz bereits glaubwürdig und menschlich umsetzt ist Lars Klingbeil. Er
schafft es seine Politiker Marke perfekt mit seiner Personal Brand Marke zu verknüpfen: Er zeigt sein
Engagement als Politiker, sein Engagement als Mensch, Dinge die er liebt, wie seine Heimat und
Musik. Und all diese Themen ergeben ein holistisches Bild eines Menschen, der persönliche
Interessen hat, die er in seinem Job als Politiker verwirklichen will. Noch dazu kommt, dass er es
schafft durch seine persönlichen Vorlieben, wie Musik, Beziehungen zu Playern aufzubauen
, die mit Politik in ihrem beruflichen Alltag wenig zu tun haben. Bspw. taggen ihn Musiker und machen auf ihn aufmerksam. So schafft er es Aufmerksamkeit und Beliebtheit in jungen Zielgruppen aufzubauen, die normalerweise in Social Media nicht nach politischen Themen suchen.

Quelle: Instagram @larsklingbeil, Lars Klingbeil jammed zusammen mit Annenmaykantereit, Max
Herre und Parteikollege Kevin Kühnert für Viva con Agua

#3 Konsistente, starke Meinungen und kontroverser Dialog mit verschiedenen Anspruchsgruppen - Eine einheitliche Haltung über alle Kommunikationswege schafft Vertrauen.


Influencer:innen, die zu politischen und gesellschaftlichen Themen eine Stellung beziehen sind
zumeist sehr stark in ihrer Haltung. Darum nehmen sie Vorbildfunktionen ein und schaffen es junge
Menschen in diese Themen einzubeziehen. Mit ihren Themen und Meinungen werden virale
Bewegungen ins Leben gerufen und tausende gehen auch offline auf die Straße, um für Themen wie
Gleichheit oder Umweltschutz zu demonstrieren.

Starke Meinungen und starkes Agenda Surfing für gesellschaftlich relevante Themen sind Inhalte, die
Gen Z liebt. Sie erkennen ihre eigenen Visionen und Ideen wieder, fühlen sich gehört. Zudem lassen
sie sich von Meinungen und Themen überzeugen und involvieren, mit denen sie normalerweise keine
Berührungspunkte hätten. Der Fachterminus dafür ist Meaning-Transfer, oder in Deutsch:
Bedeutungstransfer und Einflussnahme. Dieser Meaning-Transfer sollte das Ziel von Politiker:innen
mit ihrer Personal Brand und ihrem Content auf Social Media sein
. Junge Menschen durch
Themensetting und Austausch in politische Themen involvieren. Die wichtigen Themen der jungen
Generation ansprechen und Gen Z bei ihren Visionen unterstützen - und das konsistent.

Politiker:innen müssen lernen, wie man Social Media als Tool für’s Zuhören und Agenda
Sufing nutzen kann. Dabei macht der Ton die Musik: Beim zuhören und Agenda Surfing geht
es darum gegenseitigen Respekt zu zeigen. Das bedeutet, nicht nur die eigenen Themen,
sondern auch die Themen der Community aufzugreifen.


Dazu braucht es 4 Dinge: Erstens gilt es Themen und Diskussionen permanent über Listening Tools
zu tracken. Zweites Themen stark zu besetzen und eine klare Stellung zu beziehen über alle
Kommunikationskanäle hinweg. Drittens gilt es in den Austausch zu treten und permanent Gen Z
zuzuhören und ihre Anmerkungen, Vorschläge und Themen ernst zunehmen. Zu guter Letzt sollte
viertens das gehörte und gelernte von Politikern auch ernsthaft weitergetragen werden. Leere
Versprechungen werden von Gen Z mit negativen Feedback (Kommentaren) bestraft - Politiker:innen
müssen die Dinge angehen, von denen sie sprechen. Erst das schafft nachhaltiges Vertrauen.

#4 Supporters Club - Social Media braucht Dialog auch außerhalb des eigenen Channel Ökosystem.


Influencer:innen nutzen ihr Netzwerk ganz gezielt, um Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu
generieren. Sie nutzen ihre Freunde, deren Profile und shooten gemeinsamen Content, um
Follower:innen zu gewinnen. Aber nicht nur das: Influencer:innen wie Rezo und Louisa Dellert
sprechen auch mit anderen Akteuren, wie Politiker:innen. Sie schaffen es durch Formate, wie
Instagram Live, ihre eigenen Themen und Themen anderer Akteure zu positionieren und aktiven
Austausch zu initiieren.

Der gewollte Austausch der Influencer:innen mit politischen Akteuren ist ein
empfehlenswertes Sprungbrett für Politiker:innen.

Sie können außerhalb des eigenen Netzwerkes ihre Personal Brand und ihre Themen platzieren. Mit
Hilfe der Influencer:innen kann ebenfalls ein Meaning Transfer stattfinden und das Image von
Politiker:innen mit weiteren, neuen Bedeutungen aufgeladen werden. Diese Meanings werden von
Influencer:innen auf Politiker:innen übertragen und machen sie oder ihn interessant für die
Follower:innen der Influencer:innen. Partnerschaften, bzw. Kooperationen bieten Politiker:innen
enormen Spielraum menschlich, nahbar und offen wahrgenommen zu werden und auf der anderen
Seite Menschen, die mit Politik bis jetzt noch nicht in Berührung gekommen sind, von politischen
Themen zu überzeugen und begeistern.

Dorothee Bär von der CSU ist ein absolutes Vorbild, was der Austausch mit Influencer:innen, anderen
Playern und Kooperationspartnern angeht. Sie trifft sich häufig mit ganz verschiedenen Menschen,
spricht mit ihnen, geht in den Austausch und gibt ihnen einen Bühne auf ihren Profilen, nutzt aber
auch die Bühne anderer Profile, um im Umfeld der jungen Zielgruppen gesehen zu werden.

Quelle: Instagram @dorobaer, Dorothee Bär weiß, dass man sich Partner suchen und sich
gegenseitig unterstützen muss um Reichweite durch Tagging auszubauen und auch auf Profilen
stattzufinden, die nicht in das eigene Kanal-Ökosystem gehören. Neben Politiker:innen und
Organisationen vernetzt sich Bär auch häufig mit Influencer:innen. Zur Hochzeit von Clubhouse war
sie unter anderem sehr aktiv in Clubhouse Rooms mit Louisa Dellert (@louisadellert) und Ann-Kathrin
Schmitz (@himbeersahnetorte)

Was wir daraus mitnehmen:


Die Geheimwaffen der Influencer:innen erscheinen auf den ersten Blick simpel, doch die Umsetzung
und vor allem die Integration dieser Taktiken in den Politkalltag ist alles andere als einfach oder von heute auf morgen umzusetzen.

Social Media bedarf immer einer Strategie, diese muss agil sein, um auf Neuerungen, Features oder
Meinungsströme antworten zu können. Darum steckt eine Menge Arbeit hinter der Umsetzung der
Influencer:innen-Taktiken.
So viel Arbeit, dass es für Politiker:innen alleine, neben dem
umfangreichen, komplexen Job, fast unmöglich ist genauso wie Influencer:innen umzusetzen.
Trotzdem ist es auch für Politiker:innen mit geringer Ressourcendecke möglich Social Media zu
nutzen, um in den direkten Austausch mit Wähler:innen zu gehen - Dann mit einer geringeren
Postingfrequenz. Zudem stecken auch Potenziale darin Sympathisant:innen an sich zu binden, die
ehrenamtlich unterstützen
, um die Social Media Profile aufzubauen und zu bespielen. Denn das
Positive an den Plattformen ist: Social Media kann jeder der möchte lernen.

Es ist aber möglich von Influencer:innen zu lernen und Teile ihrer Strategie zu adaptieren. Daher ist
der wichtigste Tipp, den sich Politiker:innen zu Herzen nehmen sollten regelmäßige Trainings in
digitaler Kommunikation zu absolvieren. Up-to-date zu sein ist die halbe Miete. Weiter ist das richtige
Team die wichtigste Waffe von Politiker:innen - mit der Hilfe eines kompetenten Social Media Team,
welches Influencer-Taktiken kennt und umsetzen kann, wird es auch für Politiker:innen möglich
Influencer:in zu werden oder sich zumindest den Influencer:innen anzunähern. 

 

Das komplette Influencer Tactics Playbook (.pdf) gibt es hier zum Download (Dropbox).


 Autorin

Portrait Nadine Müller
Nadine Müller
Nadine Müller ist als (Digital) Strategist immer darauf bedacht Marken und Zielgruppen im digitalen Raum zusammenzubringen.
Für ihre Masterarbeit im Fach International Brand Communication hat sie sich intensiv der "Marke Mensch" auf Social Media im politischen Kontext gewidmet. Mit Blick auf die wohl "heißeste Zielgruppe" unserer Zeit der Generation Z - Den Wählern von morgen.

 

 

 

 

 

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