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Dienstag, 25. Oktober 2016

Digital Diplomacy - Wie Deutschland Außenpolitik im Netz betreibt

Logo "politik & kommunikation"
Ein Blog goes Papier. Im Magazin "politik & kommunikation" gibts meine Postings auch als Kolumne und auf Totholz. Der Schwerpunkt der dritten Ausgabe 2016 ist "US-Wahl/International". Meine Kolumne beleuchtet die digitale Außenpolitik Deutschlands und die Digital Diplolmacy-Aktivitäten des Auswärtigen Amtes.

Hier das Crossposting dieser Kolumne.

Der 23. Juni wird in die Geschichtsbücher eingehen: An diesem Donnerstag stimmten 51,9 Prozent der britischen Bürger für Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union. Aber das ist nicht der einzige Grund, denn am selben Abend veröffentlichte das Auswärtige Amt das reichweitenstärkste Social-Media-Posting aller Zeiten: „Wir gehen jetzt in einen irischen Pub und betrinken uns. Ab morgen arbeiten wir dann wieder für ein besseres #Europa. Versprochen“ #EUref „

Wir gehen jetzt in einen irischen Pub und betrinken uns. Ab morgen arbeiten wir dann wieder für ein besseres #Europa. Versprochen! #EUref
Tweet des Auswärtigen Amtes am Abend des #Brexit-Referendums, 24. Juni 2016


Der Tweet und das spätere Facebook-Posting erreichten zusammen mehr als  5 Millionen Impressions. Durch die Verbreitung von Medien auf der ganzen Welt werden es noch einige weitere Millionen Kontakte zusätzlich gewesen sein.

Durch diesen emotionalen Stil ist das Auswärtige Amt wohl erstmals direkt in den Timelines vieler Bundesbürger gelandet. Die Zahlen zeigen: Diese eher ungewöhnliche diplomatische Kommunikation wird honoriert.

Frank-Walter Steinmeier
#FragSteinmeier-Bürgerdialog auf Twitter
Außenpolitik findet schon länger nicht mehr ausschließlich in den Hinterzimmern von Botschaften, Konferenzen oder auf Empfängen statt, sie ist in der digitalen Welt angekommen. Der Begriff Digital Diplomacy umfasst dabei alle Aktivitäten, die zur Lösung außenpolitischer Probleme mit Hilfe des Internets und neuer Informations-Technologien angewendet werden.

Für US-Außenminister John Kerry ist der Begriff sogar schon wieder überflüssig: „The term digital diplomacy is almost redundant – it’s just diplomacy, period.“ Diplomatie und Dialog finden für ihn schon längst im Digitalen statt.

Bereits unter Außenminister Guido Westerwelle (FDP) öffnete sich das Amt und verstärkte seine Kommunikationsmaßnahmen im Onlinebereich. Frank-Walter Steinmeier (SPD) forcierte das Thema weiter: Unter anderem startete er 2014 mit „Review 2014 – Außenpolitik Weiter Denken" einen Prozess, in dem die neue Rolle der deutschen Außenpolitik in einer stärker globalisierten Welt diskutiert und explizit die Öffentlichkeit über ein Onlineportal eingebunden wurde, um Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu finden.

Webseite aussenpolitik-weiter-denken.de


Zudem motivierte das Außenamt, alle diplomatischen Vertretungen eigene digitale Kanäle für die Außenpolitik im Gastland zu etablieren. Mit Erfolg: Aktuell nutzen weltweit 136 deutsche Botschaften, ständige Vertretungen und Konsulate Social Media. Davon sind bisher 120 auf Facebook präsent und ca. 70 auf Twitter. Neben der klassischen Webseite werden so nun Blogs, Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, Flickr, tumblr, VK Kontakte, Vine und sogar ein eigener Buzzfeed-Kanal (Deutsche Botschaft Washington) für die Diplomatie genutzt, um aktuelle deutsche Positionen, Informationen und Bewertungen in den Gastländern zu verbreiten.

Auswärtiges Amt - Pluragraph.de
Überblick Deutsche Botschaften in Social Media
Auch wenn die deutsche Öffentlichkeit davon nur sehr wenig mitbekommt, geschieht dies mit steigendem Erfolg. Schaut man sich allein die quantitativen Reichweiten einiger Botschaften auf Facebook an, könnten viele politische Akteure in Deutschland neidisch werden. So hat z.B. die Botschaft Kairo in den vergangenen drei Jahren eine Community mit fast 350.000 Fans aufgebaut, für die Postings der Botschaften Tunis und Dhaka interessieren sich weit mehr als 200.000 Fans. Zum Vergleich: Die Facebook-Community der Linkspartei hat trotz ausgezeichnetem Management aktuell lediglich ca. 155.000 Fans und ist damit die mit Abstand größte unter den im Bundestag vertretenen Parteien.

Auch die qualitativen Reichweiten können sich sehen lassen. Dank überdurchschnittlicher Interaktionsraten und professionellem Auftritt erzielen viele Postings große Reichweiten, über den Kreis der eigenen Fans hinaus. Viele Bürger, insbesondere in Nordafrika informieren sich direkt beim deutschen Staat. Die deutsche Außenpolitik erreicht so ohne Gatekeeper die interessierte  Bevölkerung.

Dies trifft auch auf die Kanäle des Auswärtiges Amtes zu. Nicht nur das Pub-Posting, auch viele weniger emotionale, seriösere Postings erreichen weltweit Millionen Kontakte, sowohl in der diplomatischen Community als auch in der Öffentlichkeit der betreffenden Länder.

Dies ist auch eines der formulierten Ziele des Ministeriums: Mit eigenen Themen weltweit wahrgenommen werden. Heute reicht es nicht mehr aus, nur am Verhandlungstisch zu sitzen und gewichtige Argumente im richtigen Moment zu platzieren. Internationale Verhandlungen werden im Jahr 2016 in Echtzeit medial begleitet. So wird der Resonanzraum für die eigene Position gestärkt und internationale Unterstützung für die Verhandlungen im Hinterzimmer organisiert.

Screenshot
Twitter-Account @TheIranDeal
Gut zu beobachten war dies zuletzt bei der Syrien-Friedenskonferenz in Wien oder bei den Verhandlungen zum Atomabkommen mit dem Iran, dem sogenannten #IranDeal. Das Weiße Haus richtete sogar exklusiv für diese wichtigen Verhandlungen einen eigenen Single Issue-Account auf Twitter ein. Aber auch das Auswärtige Amt war immer zeitnah mit aktuellen Verhandlungsergebnissen online präsent. Hierfür wird vor allem der Twitteraccount @GermanyDiplo genutzt, auf dem neben Englisch auch ab und an auf Französisch, Spanisch und anderen Sprachen getwittert wird.

Bisher hat das Außenamt keine eigene Social-Media-Strategie ausformuliert und nieder geschrieben, aber alle Aktivitäten zählen darauf ein, für die eigenen Positionen aktiv zu werben, als wichtige Stimme in Diskussionen wahrgenommen zu werden und die Meinungsbildung bei Verhandlungen digital zu beeinflussen. Neben dem diplomatischen Corps gehören internationale Multiplikatoren und Journalisten zur Kernzielgruppe.

Pluragraph.de
Ausländische Botschaften in Deutschland in Social Media
Die ausländischen Botschaften in Deutschland werden ebenfalls anlassbezogen adressiert und eingebunden. Auch hier hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan: Nach eigenen Recherchen nutzen bereits 58 ausländische Botschaften und 33 Konsulate soziale Netzwerke aktiv, um in Deutschland digital präsent zu sein.

Diplomatisches Handeln soll durch die Aktivitäten im Netz insgesamt transparenter gemacht werden, um somit das Vertrauen in den Zielgruppen zu erhöhen. Der durch die digitalen Kanäle ermöglichte Dialog mit einer breiteren Öffentlichkeit stellt dabei eine willkommene und gewollte Ergänzung zu klassischen Diplomatie dar. Neben ihrer traditionellen Rolle als Regierungsbeauftragte werden Diplomaten so stärker auch zu Bürgerbeauftragten. Es entsteht ein Dialog mit der Zivilgesellschaft, den die konventionelle Diplomatie in der Form bisher nicht kannte.

Die Ziele des Auswärtigen Amtes werden in Berlin von einem bisher achtköpfigen und durch Umstrukturierungen zukünftig erweiterten 12 köpfigen Online-Team umgesetzt. Neben der umfangreichen Webseite ist es für alle Social-Media-Kanäle und mehrsprachigen Onlineprojekte verantwortlich. Die Aktivitäten sind in den vergangenen Jahren sichtbar professioneller geworden, auch dadurch hat das Vertrauen der Hausleitung zugenommen, was wiederum neue Freiräume für die Onliner geschaffen hat. Eine kleine Revolution in einer stark hierarchischen Institution wie dem Außenministerium.

Tweet-Battle Schweden vs. Dänemark
Die Botschaften selbst handeln ebenfalls autark, übergreifende Themen werden zwar besprochen, was und wie genau gepostet wird, entscheidet jede Vertretung aber individuell. Auch hier gab es in der Vergangenheit keine groben Schnitzer, die zu diplomatischen Verwerfungen führten. Hilfreich war hierfür sicherlich die um die digitale Kommunikation ergänzte Diplomaten-Ausbildung. Sie gehört heute zum Standard, wenn man Deutschland im Ausland vertreten möchte.

In Zukunft werden wir also dank Digital Diplomacy noch mehr aus der Welt der Diplomatie erfahren und können uns vielleicht schon jetzt auf das erste Twitter-Battle des Auswärtiges Amtes vorfreuen. Vor einigen Monaten lieferten sich die Digital Diplomacy-Vorreiter Schweden und Dänemark einen ironischen aber durchaus sehr lehr- und informationsreichen Schlagabtausch. Sie spülten so die große Diplomatie niedrigschwellig in Millionen Timelines - und letztlich profitierten davon beide Länder.

Montag, 15. Dezember 2014

Public Diplomacy 2.0 – Wie können Staaten Social Media für die öffentliche Diplomatie einsetzen?

Dies ist ein Gastbeitrag von Laura Egger. Sie studierte Kommunikationswissenschaft und Rechtswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Bachelorarbeit verfasste sie zum Thema Public Diplomacy 2.0. Der folgende Gastbeitrag fasst zentrale Aspekte staatlicher digitaler Public Diplomacy zusammen.

Logo LMU München
Das Tragen von Werten oder vorteilhaften Entwicklungen an die Öffentlichkeit kennt man von Unternehmen und Organisationen, bekannt als Public Relations. Damit bemühen sich diese um Verständnis und Vertrauen in der Öffentlichkeit. Dieses Ziel verfolgen jedoch nicht nur private oder staatliche Einrichtungen, sondern auch ganze Staaten.

Unter staatlicher Public Diplomacy versteht man vereinfacht, das Bemühen, das eigene Land außerhalb der Landesgrenzen positiv darzustellen oder das eigene Handeln zu erklären. In Deutschland ist dies vor allem die Aufgabe des Auswärtigen Amtes

Dabei geht es bei Public Diplomacy nicht um die Kommunikation zwischen Politikern oder Diplomaten, im Sinne klassischer Diplomatie auf Regierungsebene. Vielmehr gemeint ist die Kommunikation zwischen einem Staat und den Bevölkerungen im Ausland. Social Media wie Facebook oder Twitter bieten hierfür seit einigen Jahren neue Möglichkeiten, es entsteht zunehmend eine Public Diplomacy 2.0.
 
Facebook-Posting des Auswärtigen Amtes
Ein Beispiel staatlicher Public Diplomacy ist der Besuch des Außenministers Frank-Walter Steinmeier an der Grenze zwischen Süd- und Nordkorea im Oktober. Dabei sprach er vom Glück Deutschlands, vereint zu sein und wünschte Korea, seine Teilung eines Tages ebenfalls überwinden zu können. Damit trug der Minister eine deutsche Sichtweise und deutsche Werte nach Korea und über die Medien an die Öffentlichkeit. Implizit dabei war eine positive Darstellung Deutschlands, denn im Vergleich zu Korea hat Deutschland seine geteilte Vergangenheit bereits überwunden.

Unverzüglich wurden des Ministers Worte sowohl auf dem zentralen Facebook-Kanal des Auswärtigen Amtes gepostet als auch in englischer Sprache getwittert, die Inhalte wurden mit Vine Videos verlinkt. Hiermit erreichte die positive Darstellung Deutschlands über die Worte Steinmeiers die Nutzer sozialer Medien.
So wie soziale Netzwerke unseren Alltag immer mehr durchdringen, werden sie auch in Zukunft in der Public Diplomacy immer stärker an Bedeutung gewinnen, auch wenn die Kanäle dann vielleicht nicht mehr Facebook oder Twitter heißen werden. Wirklicher Nutzen in und durch die sozialen Medien kann dabei nur erreicht werden, wenn die Kommunikation sich hier – zumindest teilweise – verselbstständigt. Dabei sind emotionale und polarisierende Inhalte klar im Vorteil, denn nur, was die User direkt anspricht, wird auch geteilt. Diese Art von Inhalten ist jedoch schwer von oben steuer- oder gar kontrollierbar.

Humanitäre Hilfe für Syrien
Best Practice Posting Auswärtiges Amt
Um das gewünschte Bild eines Landes im Ausland zu zeichnen oder um bestimmte Informationen außerhalb der Landesgrenzen zu verbreiten, ist ein strategisches Vorgehen jedoch notwendig. Wie ist das aber bei sozialen Medien in der Praxis möglich? Ist es denn nicht vielmehr gerade diese spontane, unkontrollierte Kommunikation, die die sozialen Medien zu glaubwürdigen Kanälen macht und ihnen somit Wirkung verleiht? Staaten, ihre Regierungen und Außenämter müssen sich also ein Vorgehen überlegen, welches einerseits Posts, Tweets und Videos auf Vine oder YouTube dem übergeordneten Ziel der Public Diplomacy unterordnet. An erster Stelle steht also, die positive Darstellung eines Landes und Vertrauen diesem gegenüber zu fördern sowie politische Informationen zu verbreiten. Andererseits ist das Herzstück der Public Diplomacy ebenso der Dialog mit der Öffentlichkeit im Ausland. Hierfür bieten die sozialen Medien in ihrer Grundfunktion optimale Voraussetzungen. Deshalb ist eine starre, strategische Kommunikation in den sozialen Medien zwar noch sinnvoll, wenn es um das Verbreiten politischer Informationen geht, sobald jedoch die Verständnisförderung im Vordergrund steht, muss eine symmetrische Kommunikation möglich gemacht werden. Dies ist nicht gegeben, wenn zum Beispiel Kommentarfunktionen deaktiviert sind. Dann handelt es sich weder um eine effektive Social Media Kommunikation, noch um eine zweiseitige Public Diplomacy. 

Thema: Bangladesh
Best Practice Posting US Department of State
Da sich Public Diplomacy trotz seines öffentlichen Aspekts allerdings immer noch im Spektrum der Diplomatie abspielt, ist ein kontrolliertes, strategisches Vorgehen, welches die positive Darstellung des Landes als großes Ganzes im Auge behält, unabdinglich. Diese Herausforderung des Balanceaktes gilt es kreativ zu meistern, wenn über soziale Medien das Handeln eines Staates kommuniziert werden soll. Gelingt dies nicht, findet in den sozialen Medien keine Public Diplomacy statt, die über politische Information hinausgeht.

Die Facebook-Posts des U.S. Departement of State und des Auswärtigen Amtes sind Beispiele, die in Richtung zweiseitige Kommunikation in der digitalen Public Diplomacy gehen. Beide Posts senden eine Botschaft, die positiv auf das Land zurückfällt, enthalten jedoch Kommentare von (wie es scheint) eigenen sowie auch fremden Staatsangehörigen, die nicht nur positiv und damit eindeutig nicht kontrolliert sind. Um von einer vollkommen symmetrischen Kommunikation zu sprechen, müsste jedoch eine Reaktion von Seiten des Public Diplomacy Akteurs folgen. Außerdem sprechen die beiden Beiträge die Nutzer an, denn sie wurden vermehrt geliked und geteilt. 

Eine Übersicht über alle aktuellen Social Media Aktivitäten des Auswärtigen Amtes findet sich auf den Webseiten des Auswärtigen Amtes.

Auf Pluragraph.de gibt es zudem eine Übersicht über die Entwicklung der Social-Media-Profile des Auswärtigen Amtes als auch eine Übersicht aller Deutschen Botschaften und deren Social-Media-Aktivitäten. Das Ranking gibt es auch soriert nach Facebook und Twitter
 

Autorin 

Laura Egger studierte Kommunikationswissenschaft und Rechtswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Bachelorarbeit verfasste sie zum Thema Public Diplomacy 2.0. Dabei untersuchte die den strategischen Social-Media-Einsatz des Auswärtigen Amtes vor dem Hintergrund der schwierigen Verbindung von dialogisch-interaktiven Kommunikationsformen in den sozialen Medien und hierarchisch geprägter, geplanter und zentral abgestimmter Kommunikation staatlicher Organe. Die methodische Umsetzung erfolgte mittels qualitativer Experteninterviews mit Kommunikationsveranwortlichen des Auswärtigen Amtes.