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Freitag, 13. November 2020

Wer hasst wen? – Hate Speech auf den Facebook-Seiten politischer Parteien

Dies ist ein Gastbeitrag von Bastian Rosenzweig, er hat im letzten Semester sein Bachelorstudium in Kommunikationswissenschaft, Philosophie und Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg abgeschlossen. Im Blog präsentiert er zentrale Ergebnisse seiner Bachelorarbeit zum Thema Hate Speech auf den Facebook-Seiten deutscher Bundesparteien. Hierzu analysierte er die zwischen 2016 - 2018 auf den Facebook-Seiten von CDU, CSU, SPD, LINKE, Grünen, FDP und AfD veröffentlichten Kommentare.        

 

Logo Otto-Fiedrich-Universität Bamberg
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Am 1. Juni 2019 erschießt der rechtsextreme Stephan Ernst den CDU-Politiker Walter Lübcke. Sowohl im Vorfeld wie auch danach wird der Mord im Internet von Hasskommentaren begleitet. Unter anderem hetzen die AfD-nahe Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach und der rechtsextreme Blog PI-News mit einem vier Jahre alten Video gegen Lübcke. Morddrohungen, die in Reaktion darauf in den Kommentaren auftauchen, werden nicht gelöscht. In den Tagen nach der Tat werden Beiträge veröffentlicht, die Freude über den Tod des Politikers ausdrücken. Auch Stephan Ernst selbst räumte später ein, in der Zeit vor der Tat unter einem Pseudonym Hasskommentare gepostet zu haben.

 

Hate Speech

Der Fall Lübcke zeigt in aller Deutlichkeit, was schon länger klar ist: dass sich Hate Speech im Internet nicht von der „realen“ Welt trennen lässt. Hassbeiträge wirken auf individueller Ebene ähnlich wie Mobbing, auf gesellschaftlicher Ebene können sie den Diskurs verzerren und die strukturelle Benachteiligung bestimmter Gruppen reproduzieren. In einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW gibt über ein Drittel der Befragten an, von Hasskommentaren verängstigt zu sein. Eine Umfrage von Campact ergab, dass sich circa die Hälfte der Befragten wegen Hate Speech seltener zu ihrer politischen Meinung bekennen.

Unter Hate Speech fallen in den gängigen Definitionen alle Äußerungen, die die Herabsetzung (also nicht etwa die Kritik) bestimmter, meist marginalisierter, Gruppen zum Ziel haben. Darunter fallen beleidigende Beiträge, die auf ganze Gruppen abzielen, aber auch herabwürdigende Äußerungen gegenüber Einzelpersonen, sofern die Herabwürdigung mit der (vermeintlichen) Gruppenzugehörigkeit begründet wird.

Abbildung 1. Tortendiagramm mit Facebook-Abonnierende nach Partei
Abb 1. Facebook-Abonnierende nach Partei
Um das Ausmaß von Online Hate Speech besser einschätzen zu können, wurden in der vorliegenden Arbeit die Facebook-Seiten der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien analysiert. Untersucht wurde unter anderem, wie hoch im Zeitraum von 2016 bis 2018 der Anteil an Hasskommentaren war, welche Themen dort Hate Speech nach sich zogen und welche gesellschaftlichen Gruppen davon betroffen waren.

 

 

 

 

 

Das Ausmaß

In den drei Jahren wurden insgesamt 4.447.947 Kommentare auf den Facebook-Seiten der sieben Parteien veröffentlicht, aus denen dann eine einfache Stichprobe gezogen wurde. Hate Speech findet sich in 4,33% der Beiträge. Bei der AfD (auf die 32% aller Abonnierenden und über ein Drittel aller Kommentare abfallen) ist dieser Anteil mit 6,79% am höchsten. Darauf folgen die Grünen mit 4,76% und die Linken mit 3,38%. Da Kommentare bei Facebook von den Seitenbetreiber*innen gelöscht werden können, muss man davon ausgehen, dass der Anteil eigentlich größer ist.

Balkendiagramm Anteil an Hasskommentaren nach Partei
Abbildung 2: Anteil an Hasskommentaren nach Partei und Jahr


 

Welche Themen ziehen Hasskommentare nach sich?

Wo Hasskommentare veröffentlicht werden sagt nur bedingt etwas über deren Inhalt aus, da ja auch Rechtsradikale bei den Linken kommentieren können oder Linke bei der AfD. Aufschlussreicher ist da ein Blick auf den Inhalt bzw. die Gruppe, die das Ziel der Hassbeiträge ist. Hate Speech findet sich unter Posts zu fast allen Themen. Der größte Anteil fällt hierbei ab auf die Themen Frauenrechte (15,38%), Terrorismus (11,32%) und Rechtsextremismus (10,91%).

Abbildung 3:  Balkendiagramm mit Themen, die Hasskommentare nach sich ziehen
Abbildung 3: Themen, die Hasskommentare nach sich ziehen

 

Wer ist betroffen?

Opfer von Hate Speech sind in 46,67% der Fälle Migrant*innen, im Jahr 2017 lag der Anteil sogar bei 69,23%. Der am häufigsten gelikete Hasskommentar fällt ebenfalls in diese Kategorie und beinhaltet die Aussage: „Hälse durchschneiden , das ist was sie kennen und wollen …“ Er wurde 2018 auf der Facebook-Seite der AfD veröffentlicht und bis zur Erhebung im März 2019 nicht entfernt. Des Weiteren richten sich die Hassbeiträge gegen Politiker*innen im Allgemeinen (14,44%), Muslim*innen (12,22%) und Linke (10%). Auffällig ist, dass Hasskommentare bei den Linken in 60% der Fälle auf Linke abzielen. Auch hier scheinen also eher rechts gesinnte Personen zu kommentieren.

Abbildung 4: Balkendiagramm Betroffene nach Jahr
Abbildung 4: Betroffene nach Jahr

 

Die vor allem von Anhänger*innen der AfD immer wieder bemühte These, Rechte bzw. Konservative seien ebenso oft Opfer von Hate Speech wie alle anderen konnte nicht bestätigt werden. Nur 1,11% aller Hasskommentare richten sich gegen rechte/konservative Personen. Viel mehr lässt ein Großteil der Hasskommentare auf eine rechtsextreme Gesinnung des*der Verfasser*in schließen. Wenn man sich die Definition von Hate Speech ansieht, ist auch nichts anderes zu erwarten: Die Herabsetzung benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen wird i. d. R. von rechtspopulistischen bis konservativen Kräften vorangetrieben.

 

Hate Speech in der Echokammer

Ein weiteres Ergebnis, das aus der Arbeit hervorgeht ist, dass Kommentare, die Hate Speech enthalten öfter mit „Gefällt mir“ markiert werden als Kommentare ohne. Neutrale Beiträge erhalten im Schnitt 2,60 Likes, bei Hasskommentaren liegt diese Zahl bei 4,73. Auch hier gibt es zwischen den Parteien große Unterschiede: Bei der SPD, CDU, FDP und Linken werden Hasskommentare seltener geliket als neutrale Beiträge. Einzig bei den Grünen (2,17 zu 1,81), der CSU (2,3 zu 1,87) und der AfD (5,97 zu 2,89) werden Hasskommentare häufiger mit „Gefällt mir“ markiert, bei der AfD sogar mehr als doppelt so häufig. Da die Hate Speech-Beiträge hauptsächlich auf rechtsradikale bis rechtsextreme Gesinnungen schließen lassen, kann man aufgrund dieser Zahlen davon ausgehen, dass die Seite der AfD eine Art Echokammer für solcherlei Ansichten bildet.

Auch wird auf Posts (der Parteien selbst), die bereits Hate Speech enthalten häufiger mit Hasskommentaren reagiert wird als auf andere. Auf „neutrale“ Posts folgt in 4,23% der Fälle Hate Speech, bei Hassposts ist dieser Anteil mit 8,47% ungefähr doppelt so hoch. Da die AfD die einzige Partei ist, die regelmäßig selbst Hate Speech-Beiträge veröffentlicht, kann man vermuten, dass sie selbst zum Anteil der Hasskommentare beiträgt.

 

Rechtsextremer Hass

Insgesamt ist erkennbar, dass Hate Speech erstens häufig (in mindestens 4,33% der Fälle) anzutreffen und zweitens eine vor allem rechtsextreme Angelegenheit ist.

4.33% scheinen kein so großer Anteil zu sein. Allerdings muss man beachten, dass hierunter wirklich nur Hate Speech fällt und keine reinen Falschinformationen, Beleidigungen oder harmlosere hämische Kommentare. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass sechs der sieben Parteien angeben, solche Beiträge zu löschen. Zudem enthalten über 35% der Posts auf die sich die Kommentare beziehen nur harmlose parteibezogene Inhalte wie Mitgliederwerbung, anstehende Termine oder Feiertagswünsche.

Abbildung 5: Tortendiagramm Politische Einordnung der Hasskommentare
Abbildung 5: Politische Einordnung der Hasskommentare

Dass das Phänomen Hate Speech tendenziell rechtsextremer Natur ist, ist einerseits an den betroffenen Themen und Gruppen erkennbar, andererseits auch am Facebook-Auftritt der AfD selbst. So ist sie die einzige Partei, die keine Kommentarregeln auf ihrer Seite eingebunden hat und auch keine solchen anzuwenden scheint, da sie eine hohe Zahl von Hasskommentaren stehen lässt, selbst wenn darin gefordert wird, anderen Menschen die Hälse durchzuschneiden. 

 

Die komplette Bachelorarbeit von Bastian Rosenzweig gibt es bei Das NETTZ zum Download

 

Autor 

Portrait Bastian Rosenzweig
Bastian Rosenzweig
Bastian Rosenzweig studiert an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Philosophie im Master. Zuvor absolvierte er ein Bachelorstudium in Kommunikationswissenschaft, Philosophie und Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, in dessen Rahmen er sich mit Online Hate Speech beschäftigte.

Twitter: @bastianrosen2g

 

 

 

 

 

Freitag, 25. Oktober 2019

Twitter-Analyse: Wie nutzen Bundestagsabgeordnete Twitter zur Vernetzung?

Dies ist ein Gastbeitrag von Simon Storks, Berater bei pollytix strategic research und Lutz Ickstadt, Student der Empirschen Demokratieforschung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 

Key-Findings

  1. Bundestagsabgeordnete vernetzen sich bei Twitter vor allem innerhalb der eigenen
    Logo pollytix strategic research
    Fraktion

  2. Eine politische Spitzenposition sorgt sowohl innerhalb als auch außerhalb der eigenen Fraktion für eine hohe Reichweite in Form von Follower*innen. 

  3. Nur ein kleiner Teil der Abgeordneten nutzt Twitter aktiv zum Netzwerken über Fraktionsgrenzen hinweg.

  4. Die Netzwerker*innen sind häufiger Abgeordnete ohne Spitzenposten (aus der zweiten Reihe), die Twitter damit anders nutzen als ein Großteil ihrer Kolleg*innen.

  5. Die Vernetzung kann sich durchaus positiv auf die eigene Reichweite in Form von Follower*innen auswirken – #Follow4Follow funktioniert auch im Bundestag.

 

Vernetzung der Bundestagsabgeordneten bei Twitter


Twitter ist ein zentrales Instrument politischer Kommunikation. Hier tummeln sich Abgeordnete, Journalist*innen und CEOs, versuchen Aufmerksamkeit zu generieren, Themen zu setzen, informieren und vernetzen sich.

Stand September 2019 haben 76% der Bundestagsabgeordneten einen Twitter-Account und nutzen oder bespielen diesen mal mehr, mal weniger aktiv: Im Schnitt wurden von den twitternden Abgeordneten in den letzten drei Monaten 165 Tweets abgesetzt, durchschnittlich hat jede*r von ihnen 11.838 Follower*innen und folgt selbst 811 anderen Accounts.

540 von 709 MdB nutzen im September 2019 Twitter
Infografik: Wieviele Bundestagsabgeordnete nutzen Twitter? (Stand 9/2019)

Unser interaktives Twitter-Netzwerk der Bundestagsabgeordneten visualisiert die gegenseitige Vernetzung der Abgeordneten untereinander: Wer folgt wem und wem folgt wer? (https://mdb.pollytix.de/).

Die einzelnen Punkte symbolisieren bei Twitter aktive Abgeordnete und die Linien zwischen ihnen Verbindungen in Form von Twitter-Followerschaft. Abgeordnete mit vielen gemeinsamen Verbindungen liegen näher beieinander; Abgeordnete mit nur wenigen Verbindungen liegen weit außerhalb des Netzwerks.


Netzwerk-Karte
Infografik: Interaktives Twitter-Netzwerk der Bundestagsabgeordneten



Auf den ersten Blick wird bereits deutlich: Bis auf einzelne Ausreißer ordnen sich die Abgeordneten auch im „Twitter-Bundestag“ zu Fraktionen zusammen, zwischen denen mal mehr mal weniger Vernetzung besteht. Wenig Verbindungen bestehen zu den twitternden Abgeordneten der AfD

Über Fraktionsgrenzen hinweg


Netzwerkgrafik
Infografik: Fraktionsübergreifende Vernetzung


Die Grafik oben visualisiert, wie vernetzt Abgeordnete bei Twitter in andere Fraktionen sind. Je weiter rechts, desto mehr Abgeordnete anderer Fraktionen interessieren sich für die Tweets des*r Abgeordneten und folgen ihr/ihm, je weiter oben, desto mehr Interesse zeigt der Abgeordneten selbst an fraktionsübergreifender Vernetzung durch wechselseitiges Folgen.

Bei dieser fraktionsübergreifenden Vernetzung lassen sich vier Typen charakterisieren: Sprachrohre, Netzwerker*innen, die Mittelfeld-Gruppe und die eher passiven User*innen.

Infografik: Fraktionsübergreifende Vernetzung mit Einteilung nach Typen



Die Sprachrohre: 


Zur ersten Gruppe zählen unter anderem Peter Altmaier (CDU), Christian Lindner (FDP) und Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen). Sie haben eine hohe Reichweite in andere Fraktionen, von denen sie jedoch nicht Vielen zurück folgen. Sie nutzen Twitter hauptsächlich als Sprachrohr. Das trifft insbesondere auf (ehemalige) Spitzenpolitiker*innen zu, die generell auch außerhalb des Bundestages viele Follower*innen haben, weil jede*r mitbekommen will, was diese Abgeordneten zu sagen haben. Die Analysen deuten darauf hin, dass Spitzenposten für eine hohe Reichweite in andere Fraktionen relevant sind. 

Die Netzwerker*innen: 


Die Netzwerker*innen Stefan Liebich (Die LINKE), Dorothee Bär (CSU) und Johannes Kahrs (SPD), haben mehrheitlich keine parteiinternen Spitzenposten inne. Sie haben dennoch, wie die Sprachrohre, überdurchschnittlich viele Follower*innen aus anderen Parteien, und sind zugleich sehr gut wechselseitig mit diesen vernetzt – das bedeutet sie folgen zurück. Auffällig ist, dass alle drei Netzwerker*innen auf Twitter besonders aktiv sind. Mit 10.335 (@kahrs), 387 (berlinliebich) und 342 (@DoroBaer) Tweets in den letzten drei Monaten liegen sie alle klar in der Spitzengruppe der „Viel-Twitterer*innen“ im Bundestag – und liegen klar über dem Durchschnitt von 168 Tweets in den vergangenen 3 Monaten. 

Mittelfeld: 


Eine dritte Gruppe bewegt sich zwischen Sprachrohren und Netzwerker*innen: u. a. Konstantin von Notz und Sven-Christian Kindler (beide Bündnis 90/Die Grünen). Diese Abgeordneten haben eine überdurchschnittlich hohe Reichweite in andere Fraktionen und sind auch mit vielen dieser Follower*innen vernetzt (folgen sich also gegenseitig), sind aber noch nicht so erfolgreich wie die Gruppen der Sprachrohr-Nutzer*innen oder die Netzwerker*innen. Hier arbeiten viele nach dem Prinzip #Follow4Follow, um ihre Reichweite auszubauen. 

Die passiven User*innen:


Der größte Anteil der Abgeordneten hat jedoch weder eine große Followerschaft aus anderen Fraktionen, noch folgen sie selbst vielen Abgeordneten anderer Fraktionen. 

Innerhalb der eigenen Fraktion


Fraktionsintern dreht sich das Bild um 180 Grad, das sich bei der Analyse der Vernetzung über Fraktionsgrenzen hinweg zeigte. Die folgenden Grafiken zeigen auf den ersten Blick die wichtigste Erkenntnis: Die meisten Abgeordneten nutzen Twitter primär für die Vernetzung innerhalb der eigenen Fraktion. 

In der CDU/CSU-Fraktion ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier das größte Sprachrohr/der Abgeordnete mit den meisten Follower*innen. Die Netzwerker*innen innerhalb der CDU/CSU-Fraktion sind Marco Wanderwitz, Steffen Bilger und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak – also Abgeordnete mit fraktions- bzw. parteiinternen Spitzenposten: Zwei Staatssekretäre und ein Generalsekretär. Das trifft ebenso auf Ralph Brinkhaus (Fraktionsvorsitzender) zu. Die Anzahl der Bundestagsabgeordneten, die ihm folgen, hat sich nach der Übernahme des Fraktionsvorsitzes innerhalb eines halben Jahres nahezu verdoppelt.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung CDU/CSU-Fraktion


Bei der SPD ist es gleich eine kleine Gruppe von Abgeordneten, die alle innerhalb der Fraktion gut vernetzt sind und das bei einer ähnlich hohen internen Reichweite. Carsten Schneider, Thomas Oppermann und Martin Schulz fallen hierbei etwas ab, sie nutzen Twitter vor allem als Sprachrohr innerhalb der SPD-Fraktion. Auch hier bestätigt sich also, dass (ehemaligen) Spitzenpolitiker*innen eine große Reichweite haben, während Politiker*innen aus der zweiten Reihe vor allem mit einer guten Vernetzung eine hohe Reichweite erreichen können – wie man anhand der Beispiele Johannes Kahrs, Dr. Eva Högl und Bärbel Bas sehen kann.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung SPD-Bundestagsfraktion


Die Grünen sind fraktionsintern am besten vernetzt. Kaum Grünen-Abgeordnete folgen niemandem aus den eigenen Reihen zurück. Ausnahme ist Toni Hofreiter. Er nutzt Twitter nur um auf seinen Facebookaccount zu verweisen. Trotzdem hat er 10.500 Follower*innen, darunter auch knapp 50 Grünen-Abgeordnete. 

Wie schon bei der SPD gibt es bei den Grünen gleich eine kleine Gruppe von Abgeordneten, die innerhalb der Fraktion allesamt sehr gut vernetzt sind, unter anderem: Annalena Baerbock, Britta Haßelmann, Katrin Göring-Eckardt und Agnieszka Brugger. Insgesamt zeigt sich aber auch bei denen Grünen, dass sich die Fraktions- und Parteistrukturen stark auf Twitter widerspiegeln. Mit Katrin Göring-Eckardt (Fraktionsvorsitzende), Annalena Baerbock (Parteivorsitzende) und Britta Haßelmann (Geschäftsführerin) haben die Top-Netzwerkerinnen alle Spitzenpositionen inne (gehabt).

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung Fraktion Bündnis 90/Die Grünen



Wie bei der Grünen-Fraktion ist auch innerhalb der FDP-Fraktion die Vernetzungsdichte sehr hoch. (Fast) alle in der FDP-Fraktion folgen Christian Lindnerund er folgt zurück. Bei der fraktionsinternen Vernetzung wird deutlich, dass Christian Lindner Twitter durchaus zur Vernetzung nutzt – nur eben nicht über Fraktionsgrenzen hinweg. Weitere Netzwerker*innen innerhalb der FDP-Fraktion sind mit Marco Buschmann, Florian Toncar und Marie-Agnes-Strack Zimmermann keine Abgeordneten, die eine hohe Reichweite auch in andere Fraktionen haben. 

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung FDP-Fraktion 


Wie auch bei der Vernetzung in andere Fraktionen, fallen bei den Linken Stefan Liebich und Bernd Riexinger als Netzwerker innerhalb der Fraktion auf. Mit Niema Movassat ist außerdem ein Abgeordneter unter den Top-Netzwerker*innen der Linken, der keinen parteiinternen Spitzenposten innehat. Die Spitzenpolitikerinnen Katja Kipping und Sahra Wagenknecht nutzen Twitter hingegen auch innerhalb der eigenen Fraktion überwiegend als Sprachrohr und sind kaum mit den eigenen Fraktionsmitgliedern vernetzt.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung Linksfraktion



Die AfD-Fraktion ist intern im Durchschnitt moderat vernetzt. Bei der AfD sind mit Frank Pasemann, Götz Frömming und Mariana Harder-Kühnel erneut Abgeordnete ohne Spitzenposten unter den besten fraktionsinternen Netzwerker*innen. Die Spitzenpolitikerinnen Beatrix von Storch und Alice Weidel haben innerhalb der AfD-Fraktion die größte Reichweite und sind durchaus auch gut vernetzt. Insgesamt gibt es bei der AfD-Fraktion viele Abgeordnete, die niemandem oder nur sehr wenigen Fraktionsmitgliedern zurück folgen, also sehr schwach vernetzt sind.

Infografik: Fraktionsinterne Vernetzung AfD-Fraktion



Bei der durchschnittlichen fraktionsinternen Vernetzung haben wir uns angeschaut, wie viele Abgeordnete der selben Fraktion sich im Mittel gegenseitig auf Twitter folgen. Außerdem haben wir jeweils den*die Abgeordnete herausgegriffen, der*die fraktionsintern am besten vernetzt ist.

Infografik: Durchschnittliche fraktionsinterne Vernetzung nach Fraktionen bei Twitter

Auffällig ist, dass die fraktionsinterne Vernetzung stark mit der Twitterquote der jeweiligen Fraktion korreliert, also dem Anteil der Abgeordneten einer Fraktion mit Twitteraccount. Die Grünen stechen deutlich heraus: Zurzeit die kleinste Fraktion im Bundestag und zugleich die Fraktion mit der zweithöchsten Twitterquote: Mit 93% nutzen fast alle Abgeordneten der Grünen Twitter. Gleichzeitig sind sie mit 77% untereinander sehr stark vernetzt. Ähnlich ist es bei der FDP-Fraktion: 95% der FDP-Fraktionsmitglieder twittern und mit 64% sind sie überdurchschnittlich stark innerhalb der eigenen Fraktion vernetzt. Auf der anderen Seite hat die CDU/CSU mit 139 von 246 Abgeordneten die geringste Twitterquote und gleichzeitig die geringste durchschnittliche interne Vernetzung (24%). Die Fraktionen, die insgesamt weniger auf Twitter vertreten sind, sind dort auch schlechter intern vernetzt.

Fazit


Nur wenige Abgeordnete sind auf Twitter über die eigenen Fraktionsgrenzen hinweg vernetzt. Der Großteil der twitternden Abgeordneten vernetzt sich nur innerhalb der eigenen Fraktion. Um fraktionsübergreifend besonders erfolgreich zu sein, ist ein Spitzenposten hilfreich. Die kleine Gruppe der Netzwerker*innen besteht aus „Heavy-Twitter-User*innen“ wie Dorothee Bär, Stefan Liebich und Johannes Kahrs – sie schlagen die Brücke zu den twitternden Kolleg*innen anderer Fraktionen am stärksten.

Insgesamt gibt es mehr Abgeordnete ohne fraktions- und parteiinterne Spitzenposten, die sich auf Twitter gut vernetzen und die Plattform damit anders nutzen als ein Großteil ihrer Kolleg*innen. 

57 Prozent vernetzen sich über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg
Infografik: Wieviele MdB vernetzen sich über eigene Parteigrenzen?
Sich nicht oder nur wenig zu vernetzen stellt die Normalität im Twitter-Bundestag dar. Twitter wird auch innerhalb des Bundestags von Vielen stark für eine Ein-Weg-Kommunikation und weniger zum Austausch bzw. zur Vernetzung genutzt. Twitter lediglich als Sprachrohr in die eigene Fraktion oder die Öffentlichkeit zu nutzen, ist der „default mode“.

Ganze 133 Abgeordnete sind gar nicht über Fraktionsgrenzen hinweg vernetzt. 269 der Abgeordneten sind gerade mal mit einem bis maximal 9 anderen Abgeordneten vernetzt. 138 Abgeordnete sind mit über 10 Abgeordneten vernetzt, aber lediglich 6 davon mit mehr als 59 Abgeordneten (und damit über 10% aller twitternder Abgeordneten). 



Autoren

Simon Storks
Simon Storks ist Berater bei pollytix strategic research. Er ist Soziologe (M.A.) und spezialisiert auf Methoden der empirischen Sozialforschung sowie politische Partizipationsforschung. Bei pollytix berät er auf Basis qualitativer und quantitativer Meinungsforschung Kunden im politischen und gesellschaftlichen Bereich.

Twitter: @SimonJDoe


 



Lutz Ickstadt
Lutz Ickstadt studiert Empirische Demokratieforschung (M.A.) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Wahlforschung. Zur Bundestagswahl 2017 hat er unter anderem bei einer Twitter-Analyse zum TV-Duell mitgearbeitet und den YouTube-Kanal "Was mit Wahlen" mit aufgebaut.

Twitter: @Ickyl






Donnerstag, 19. Juli 2018

Twitter-Analyse: Wie informieren sich Bundestagsabgeordneten bei Twitter?

Dies ist ein Gastbeitrag von Rainer Faus (Geschäftsführer) und Leonie Schulz (Beraterin) von der Agentur pollytix strategic research. pollytix ist eine Berliner Agentur, die sich auf forschungsbasierte Beratung spezialisiert hat. Der Beitrag ist die Aktualisierung der ersten Twitter-Analyse "Wem folgen die MdB?" vom Dezember 2016. 

Grafik: Twitterquoten der Bundestagparteien (Stand April 2018)
Zum Einstieg ein wenig Statistik. 

73% der Abgeordneten im 19. Deutschen Bundestag haben einen Twitter-Account. Rund 1,6 Millionen Tweets haben alle aktuell gewählten Parlamentarier bisher zusammen gesendet. Durchschnittlich kommen so pro Monat über 30.000 neue Tweets hinzu. Jede*r Abgeordnete hat durchschnittlich 10.000 Follower. Twitter ist somit ein unumstritten wichtiges Kommunikationsinstrument für den Großteil der Abgeordneten. Die Plattform bietet die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erhalten, Informationen zu teilen, Position zu beziehen oder zu provozieren.

Grafik: Durchschnittliche Anzahl gefolgter Accounts pro Partei
Aber auch als Informationsquelle gehört Twitter zum Alltag vieler MdBs. 647 Accounts folgt jede*r Abgeordnete durchschnittlich. Welche Informationen nehmen sie dort wahr? Welche Quellen sind ihnen wichtig? Wessen Beiträge wollen sie nicht verpassen und gibt es unterschiedliche Präferenzen in den verschiedenen Fraktionen? Um diese Fragen zu beantworten, analysieren wir, wem die Abgeordneten bei Twitter folgen. 

Dieser Beitrag aktualisiert und erweitert damit gleichzeitig die Analyse des Twitter-Verhaltens des alten 18. Deutschen Bundestages von Martin Fuchs und SPIEGEL ONLINE. Er wirft einen Blick auf die Verschiebungen in den Popularitätslisten, welche durch 1,5 Jahre, zwei neue Fraktionen und über 160 zusätzliche MdB eingetreten sind. 

Wer twittert? 


Aktuell sind 520 von 709 Parlamentariern mit einem Account bei Twitter vertreten, die Twitter-Quote des Bundestags liegt somit bei 73%. Die twitternden MdBs verteilen sich nicht gleichmäßig über alle Parteien. Spitzenreiter sind die Grünen mit einer Twitterquote von 94%. Das Schlusslicht bilden die Unionsparteien (CSU: 57%/CDU: 51%).

Wie vielen Accounts wird gefolgt? 


Durchschnittlich folgen die Abgeordneten jeweils 647 Accounts. Der Durchschnittswert streut erneut zwischen den Parteien. Abgeordnete der Grünen folgen mit 975 Accounts im Durchschnitt den meisten, CSU-Abgeordnete mit 345 Accounts den wenigsten. Neun Abgeordnete folgen (bislang) niemandem und gehen somit nicht in die Analyse mit ein. 

Wem folgen die Abgeordneten? 

Grafik: Aus welchen Bereichen kommen die meistgefolgten Accounts?

Unter den 100 wichtigsten Quellen befinden sich vor allem Twitter-Accounts von Medien (47), von anderen Politiker*innen (37), von Partei- und Regierungsorganisationen (15) sowie der DGB

An der Spitze der meistgefolgten Accounts steht Regierungssprecher Steffen Seibert. 318 MdBs (61%) folgen ihm. 6 Plätze unter den Top10 nehmen klassische Nachrichtenangebote ein: Tagesschau, Spiegel Online/Spiegel Eilmeldungen, SZ, Zeit Online und Welt. Von den twitternden Politiker*innen haben es nur Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ins Ranking geschafft. Mit @spdbt ist auch ein Fraktionsaccount unter den Top10 vertreten. 246 Abgeordnete folgen ihm, weniger als die Hälfte davon sind Abgeordnete der SPD. Auch für MdBs anderer Parteien ist der Fraktionsaccount somit eine relevante Twitter-Quelle. 

Im Vergleich zu den meistgefolgten Accounts des alten. 18. Bundestages zeigt sich trotz der über 160 hinzugekommenen twitternden Abgeordneten nur wenig Verschiebung. Auch im alten Twitter-Bundestag lagen Regierungssprecher, Medienangebote sowie Sigmar Gabriel und Peter Altmaier im Top10-Ranking. Herausgefallen aus den Top10 sind Ex-SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Staatsministerin Dorothee Bär (CSU). 


Wem folgen die Abgeordneten einzelner Parteien?


Beim Follower-Verhalten der einzelnen Parteien fällt jeweils die starke Fokussierung auf die eigene Partei auf: Fraktions-und Parteiaccounts sowie Spitzenpolitiker*innen aus den eigenen Reihen dominieren die parteiinternen Rankings. 

Lediglich bei CDU und CSU finden sich mit Regierungssprecher Steffen Seibert und Tagesschau sowie bei den Linken mit Neues Deutschland jeweils parteifremde Accounts in den Top10. Bei CDU, CSU und FDP findet sich zudem die jeweilige Jugendorganisation in den Listen, bei AfD und FDP sind zudem jeweils Accounts der Landesverbände aus NRW (@fdp_nrw, @AlternativeNRW) dabei.


Top 10
Was sind die meistgefolgten Accounts der CDU-MdB?
Neben dem Fraktions-, dem Partei-Account und dem Account der Jungen Union stehen auch einige Personen-Accounts hoch im Kurs bei den Abgeordneten der CDU: Staatssekretär und Ex-Generalsekretär Dr. Peter Tauber folgen 84% aller Abgeordneten der eigenen Partei, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Gesundheitsminister Jens Spahn folgen fast ebenso viele. Interessanterweise sind auch Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe und der Erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Michael Grosse-Brömer wichtige Quellen der CDU-Abgeordneten.  

Top 10
Was sind die meistgefolgten Accounts der CSU-MdB?

Von den 26 twitternden CSUler im Deutschen Bundestag folgen fast alle Aktiven auch den gleichen zehn Accounts im Top 10-Ranking. Spannend: Ministerpräsident Markus Söder ist nicht bei den Top-Accounts dabei, dafür aber die stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner, als auch die Ex-MdB Dagmar Wöhrl und Katrin Albsteiger. Letztere hat seit Oktober 2017 nicht mehr getwittert. Auch der netzpolitische Verein der Partei @CSU_net und die CSU-Landtagsfraktion scheinen wichtigere Quellen zu sein als der Ministerpräsident. 
Was sind die meistgefolgten Accounts der SPD-MdB?
Wer hätte das gedacht? Der ehemalige Kanzlerkandidat der SPD steht bei den eigenen Abgeordneten weiterhin hoch im Kurs. 84% der SPD-MdB folgen Martin Schulz weiterhin bei Twitter. Mehr als den aktuellen SPD-Minister*innen der GroKo. Im Ranking sind Hubertus Heil, Katarina Barley und Heiko Maas vertreten. Auch dem Generalsekretär Lars Klingbeil und dem Hamburger Viel-Twitterer Johannes Kahrs folgen fast 100 Bundestagsgenossen.
Was sind die meistgefolgten Accounts der AfD-MdB?

Fast alle twitternden AfD-Bundestagsabgeordneten folgen der Partei und der Fraktion. Aber auch das Mitgliedermagazin @AfDKompakt großer Beliebtheit. Diese hohe Folgequote die sich von den anderen Parteien unterscheidet ist eventuell damit erklärbar, das nach der Wahl viele MdB-Accounts von der Fraktion proaktiv angelegt wurden und erst sukzessive an die MdBs übergeben wurden. Bis dahin wurden sie von der Fraktion geführt und gepflegt. Mit Guido Reil ist auch ein AfD-Politiker unter den meistgefolgten, der weder im Bundestag, noch im Landtag für die Partei sitzt, aber intern ein großes Gewicht zu haben scheint.





Was sind die meistgefolgten Accounts der FDP-MdB?
Die FDP und auch die FDP-Fraktion sind Christian Lindner und Christian Linder ist die FDP. Nicht überraschend folgen dem größten FDP-Account auch mehr MdB als der eigenen Partei und der eigenen Fraktion. 92 % wollen nicht verpassen was der Parteichef und sein Team twittern. Neben einigen prominenten Abgeordneten, wie dem Ersten parlamentarischen Geschäftsführer Marco Buschmann oder der Generalsekreärin Nicola Beer und MdB Otto Fricke findet sich im Ranking auch der rheinland-pfälzische Minister Volker Wissing und der Account der Landes-FDP aus NRW.





Was sind die meistgefolgten Accounts der Linke-MdB?

Die wichtigsten Informationsquellen der Linken-Abgeordneten sind Partei, Fraktion, die Fraktionschefin als auch die Parteivorsitzenden. Überraschender ist dagegen, dass der parteinahen Zeitung "Neues Deutschland" neun von zehn MdB folgen. Dies ist bei keiner anderen Partei so. Neben den bekannten Talkshow-gästen und Parteipromis gibt es mit den MdB Christine Buchholz, Petra Sitte und Niema Movassat auch einige unbekanntere Gesichter im Ranking, die aber parteiintern wichtige Informationsquellen zu sein scheinen.






Was sind die meistgefolgten Accounts der Grünen-MdB?
Ähnlich wie bei der CSU folgen auch bei den Grünen fast alle aktiven Bundestags-Twitterer den wichtigsten Accounts im Ranking. Dabei scheinen die neuen Parteivorsitzenden MdB Annalena Bearbock und Robert Habeck genauso wichtig, wie Partei und Fraktion. Aber auch Politiker*innen aus der zweiten Reihe wie die Fraktionsvize Katja Dörner, Agnzieszka Brugger, Konstantin von Notz, Oliver Krischer und der haushaltspolitischer Sprecher Sven Kindler gehören neben der Fraktionsspitze zum festen Informationsrepertoire der Abgeordneten. Auch wenn die Alphatiere Cem Özdemir und Jürgen Trittin offiziell keine wichtigen Positionen mehr begleiten wird auf deren Meinung weiterhin gehört.

 

 

Welchen Medien folgen die Abgeordneten?  

 

Grafik: Was sind die meistgefolgten Medien-Accounts der MdB?

Medienangebote stellen einen großen Teil der meistgefolgten Twitter-Accounts. Die wichtigste Quelle darunter ist die Tagesschau. 309 MdBs (59%) folgen ihr bei Twitter. Dahinter rangieren vor allem Printmedien mit hoher Reichweite und deren Online-Formate. Aber auch der Sender ZDF und die Nachrichtenagentur dpa sind unter den 10 meistgefolgten Medienaccounts von MdBs zu finden. 

Einen detaillierten Blick auf die wichtigsten Informations-quellen ermöglicht die Betrachtung der Medien nach einzelnen Kategorien. Die Zuordnung erfolgt mit Blick auf das hinter dem Account steckende „Muttermedium“. Beispielsweise wird Zeit Online nicht als Onlineangebot sondern als Wochenzeitung eingeteilt.

Die Followerzahlen zeigen, dass öffentlich-rechtliche Angebote sowie Tages- und Wochenzeitungen eine wichtigere Rolle für die MdBs spielen als private Rundfunkangebote. Abgesehen von n-tv wird anderen Privatrundfunkangeboten kaum bei Twitter gefolgt. Bei den Online-Only Angeboten stehen Blogs und Accounts, die Wahlumfragen veröffentlichen, hoch im Kurs. Auch der Satire-Account Postillon ist unter den beliebtesten Angeboten vertreten. 

Grafiken: Meistgefolgte Accounts des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Vergleich zu privatem Rundfunk
Grafiken: Meistgefolgte Accounts Tageszeitungen und Wochenzeitungen/Zeitschriften im Vergleich

Grafik: Meistgefolgte Accounts Online-only/Blogs
Bei den Blogs und "Online-only"-Medien dominieren nicht überraschend politische und teilweise sehr fachspezifische Angebote wie @wahlrecht_de, @btwahltrend (Disclaimer: Ein Angebot der pollytix GmbH), @a_watch, @wahl_de, @politik_digital und @bundestagsradar in den Top 10.

Mit @netzpolitik und @bildblog finden sich aber auch zwei der meistgelesenen Blogs des Landes darunter. Immerhin knapp 29% aller Abgeordneten interessieren sich für netzpolitische Updates. Netzpolitik ist also immer mehr im politischen Mainstream angekommen.  



  
Auch bei der Betrachtung innerhalb der Parteien dominieren Accounts von Tages- und Wochenzeitungen sowie öffentlich-rechtliche Angebote. Bei AfD, CSU und SPD tauchen zusätzlich die parteizugehörigen Zeitungen AfD Kompakt, Bayernkurier und Vorwärts in der Top-Liste der entsprechenden Partei auf. 

Auch parteiübergreifende Filterblasen werden am Beispiel von Bild-Zeitung und Die Tageszeitung (taz) deutlich. Die Bild-Zeitung taucht im Top-Medien-Ranking von CDU, CSU, FDP und AfD auf, nicht aber bei SPD, Grünen und Linken. Hier ist wiederum jeweils @tazgezwitscher unter den meistgefolgten Medien vertreten.

Grafik: Meistgefolgte Medien-Accounts auf Twitter von CDU- und CSU-Abgeordneten

Grafik: Meistgefolgte Medien-Accounts auf Twitter von SPD- und AfD-Abgeordneten

Grafik: Meistgefolgte Medien-Accounts auf Twitter von FDP- und Linke-Abgeordneten






















































Meistgefolgte Medien-Accounts der Grünen-Abgeordneten







 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Welchen Journalist*innen und Blogger*innen wird gefolgt?


Neben den Twitter-Accounts der Medienangebote spielen auch die Accounts einzelner Journalist*innen und Blogger*innen eine zentrale Rolle für die MdBs. 

Die meistgefolgten Journalist*innen/Blogger*innen der MdB
Auf das größte Interesse stoßen die Accounts von Jan Böhmermann und Sascha Lobo - beides keine klassischen Journalisten, eher Publizisten und Entertainer. Dahinter rangieren vor allem Journalist*innen aus den Print- und Onlinemedien sowie mit Dunja Hayali eine Fernsehjournalistin.

Unter den Top 10 befinden sich Journalist*innen von WELT (2), SPIEGEL ONLINE (2), BILD am Sonntag (1), Tagesspiegel (1), freitag (1) und dem ZDF (1).  

 
Betrachtet man nun die Parteien wieder individuell werden wieder klare Unterschiede zwischen den Parteien deutlich. In den Listen der CDU- und FDP-Abgeordneten dominieren aktuelle oder ehemalige Journalist*innen des Axel Springer Verlags, darunter Kai Diekmann, Robin Alexander, Miriam Hollstein und Ulf Poschardt

Bei Abgeordneten von Grünen, Linken und SPD streut die Liste der meistgefolgten Accounts stärker. Bei den Grünen sind beispielsweise auch ein taz-Redakteur (UlrichSchulte) und Zeit-Redakteurinnen (Lisa Caspari und Mariam Lau) zu finden. Meistgefolgt von den Linken wird der ehemalige Chefredakteur von Neues Deutschland, Tom Strohschneider. Aber auch Jung&Naiv-Chefredakteur Tilo Jung wird von über 40% der Linken-MdBs bei Twitter gefolgt und landet im Top10-Ranking. Für Abgeordnete der CSU sind zusätzlich die Accounts der Redakteure regionaler Medien wichtig: Meistgefolgt von ihnen ist Christian Deutschländer, Chefredakteur vom Münchner Merkur. 

Grafik: Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von CDU- und CSU-Abgeordneten
Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von FDP- und Linke-Abgeordneten

Grafik: Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von SPD- und AfD-Abgeordneten



Meistgefolgte Journalist*innen/Blogger*innen von Grünen-MdB
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Welchen Interessenvertretungen folgen die MdB? 


Die meistgefolgten Interessenvertretungen der MdB
Mit dem DGB hat es auch eine Gewerkschaft in die Liste der 100 meistgefolgten Accounts der MdBs geschafft. Andere Interessenvertretungen, denen viele Abgeordnete bei Twitter folgen, sind u.a. ver.di, Greenpeace, Campact und IG Metall

Aus den Reihen der parteinahen Stiftungen hat es nur die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung ins Ranking geschafft. Nicht mehr in der Top10 Liste, aber auch häufig gefolgt werden die Friedrich-Ebert-Stiftung (73) und die Konrad-Adenauer-Stiftung (64). Dahinter rangieren im Ranking der parteinahen Stiftungen die Rosa-Luxemburg-Stiftung (56), Friedrich-Naumann-Stiftung (53) und Hanns-Seidel-Stiftung (22). 

Mit Lobbycontrol folgen immerhin 14% aller twitternden Parlamentarier der NGO, die sich für Transparenz im Lobbyismus einsetzt. Ironischerweise ist sie damit also eine der wichtigsten Interessenvertretungs-Informationsquellen der MdB

In den Top 10 sind weder ein (Wirtschafts-)verband noch ein Unternehmen vertreten.

 
Die meistgefolgten Wirtschaftsverbände der MdB
Bei den Interessenvertretungen aus dem Bereich Wirtschaft steht der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) an der Spitze, gefolgt vom Verband der Familienunternehmer sowie dem Verband der Jungen Unternehmer















 

Welchen Unternehmen folgen die MdB?  


 
Die meistgefolgten Unternehmen der MdB auf Twitter
Die Twitter-Accounts von Unternehmen spielen für die Abgeordneten im Vergleich zu Interessenvertretungen nur eine untergeordnete Rolle. Unter den Top10 sind mehrere Unternehmen, die bei Twitter Zahlen aus Meinungs- und Wahlforschung präsentieren (infratest dimap, pollytix, YouGov). Darüber hinaus schaffen es nur wenige Wirtschaftsunternehmen, eine Vielzahl an Followern aus dem Bundestag anzuziehen.
 

Relevanter sind im Bereich Wirtschaft und Public Affairs die Accounts einzelner Lobbyisten oder Geschäftsführer, darunter Axel Wallrabenstein (105), Christian Wohlrabe (62), Nico Lumma (62) oder Dietrich von Klaeden (55).



Weitere beliebte Accounts der MdBs sind die Polizei Berlin (88) sowie Polizei Berlin Einsatz (78), Kabarettist Dieter Nuhr (82), Papst Franziskus (77), Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (75), die Deutsche Nationalmannschaft (72), Pro Asyl (72) und Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (71).


Die Analyse zeigt, dass das viel diskutierte Problem der Filter-Bubbles auch im Twitter-Bundestag eine große Rolle spielt. Die MdBs folgen vor allem Accounts aus den eigenen Reihen. Auch bei den gefolgten Medien, Journalist*innen und Blogger*innen zeigen sich deutliche Parteipräferenzen. Dies führt zu Timelines, die vor allem die eigene politische Haltung wiederspiegeln und verstärken – ein Faktor, der sich auch auf die politische Arbeit auswirken könnte.



Autor*innen

Rainer Faus
Rainer Faus, ist Gründer und Geschäftsführer von pollytix strategic research, einer in Berlin ansässigen Agentur für forschungsbasierte Beratung und ist spezialisiert auf Meinungsforschung, Kampagnen und Wahlkampf. In den letzten 10 Jahren hat er an mehr als 30 Wahlkämpfen in Deutschland, Asien, Australien und Neuseeland mitgewirkt.
  
Twitter: @rainerfaus

 

 

 

 



Leonie Schulz
Leonie Schulz, ist Beraterin bei pollytix strategic research. Hier ist sie vor allem für quantitative Forschungsprojekte und Analysen verantwortlich und berät Parteien, Verbände und Unternehmen.

Twitter: @pollytix_gmbh