Donnerstag, 18. Juni 2015

»Mut zum Kontrollverlust« - Wie DIE LINKE Facebook nutzt

Dies ist ein Gastbeitrag von Julia Marg und Mark Seibert. Julia Marg ist Social-Media-Managerin der Partei DIE LINKE und Mark Seibert ist Berater für Online-Kampagnen bei DIG/Plus, zuvor war er jahrelang für die Online-Kommunikation der Partei DIE LINKE zuständig. 

Logo DIE LINKE.
Was ist, wenn Nazis Beiträge kommentieren? Was ist, wenn wir von Facebook-Userinnen und -Usern kritisiert werden – kann das dann jeder lesen? Solche und andere Befürchtungen wurden in den Gremiensitzungen der LINKEN immer wieder laut. »Mut zum Kontrollverlust« war deswegen die Überschrift, mit der das Internet-Team der LINKEN im Wahljahr 2009 die Online-Aktivitäten der Partei zusammenfasste.

Quelle Pluragraph.de
Entwicklung Facebook-Fans DIE LINKE seit 2011
Das redaktionelle Konzept hinter der Facebook-Seite ist bis heute in seinen wesentlichen Eckpunkten unverändert und bildet die Grundlage dafür, dass DIE LINKE als erste der Bundestagsparteien mehr als 100.000 Fans bei Facebook erreichte.

Das Konzept übersetzte die »Offline«-Wahlstrategie der LINKEN ins Digitale – und passte völlig unbeabsichtigt perfekt für Facebook: Eine dialogorientierte Kommunikationshaltung, die permanente Einladung, am Aufbau der neuen Partei mitzuwirken und eine aufklärerische, authentische, unmittelbare Informationspolitik, die Facebook vor anderen Kanälen privilegierte.

DIE LINKE begann 2009 damit, von Veranstaltungen sowie zu politischen Ereignissen und Diskussionen live zu berichten. Kommentierungen, O-Töne, Fotos und Videos wurden in einer zentralen Redaktion hergestellt, die eigentlich für die gedruckten Medien zuständig war.

Screenshot
Titelbild der Facebookseite DIE LINKE
Die Facebook-Seite bekam schnell konkreten Nutzwert: Ein LINKER konnte jetzt am politischen Geschehen seiner Partei teilhaben, selbst wenn er im katholisch-konservativsten Winkel Oberbayerns der einzige Rote im Umkreis von 30 Kilometern war. In jedem Wahlkampf feiern sich die Anhänger der LINKEN selbst, wenn sie es geschafft haben, Petitionen, TV- und Online-Umfragen zugunsten der LINKEN auf Facebook hochzujazzen. Die Roten auf Facebook sind nicht nur Fans, sondern im besten Sinn eine Community. Dadurch wuchs die Interaktion mit der Seite und ihren Inhalten. Für die diskussionsfreudigsten aller Parteigänger – so eine DLD-Studie aus dem Jahr 2010 (Seite 40) – lieferte die Parteizentrale Futter: Im Online-Team war die Parole ausgegeben, jede Frage binnen sechs Stunden zu beantworten. Die Redaktion produzierte Sharepics – und das zu einer Zeit, als es das Wort Sharepic noch nicht gab.

Zusätzlich wurden die Grenzen des organischen Wachstums mit cleveren Anzeigenkampagnen überschritten, so dass zur vergangenen Europawahl binnen fünf Wochen mehr als 25.000 neue Fans gezählt werden konnten.

Beispiel für Beitragsreichweiten eines Facebook-Postings


Rein instinktiv wurde so einiges richtig gemacht: Dialog auf Augenhöhe, authentische Informationspolitik, Beteiligung und konkreter Nutzen. Während Facebook-Seiten in der Regel zwischen acht und 15 Prozent ihrer Fans mit einem Beitrag organisch – also ohne Anzeigenschaltung – erreichen, sind es bei der LINKEN zwischen 70 und 130 Prozent. Das und 100.000 Fans ist das Ergebnis des Konzepts, seiner beharrlichen Umsetzung und der liebevollen bis detailversessenen alltäglichen Betreuung der Seite.

Hier einige Reaktionen zu einem Beitrag zur Unterstützung des Bahnstreikes:

Seit 2009 hat DIE LINKE eine volle Stelle für die Betreuung der Sozialen Medien, die Stundenweise von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt wird. Gemeinsam wird mit Mut zur Lücke und zur Zuspitzung - immer mobilisierend, mal humorvoll, mal ernst, mal informierend - auf Facebook agiert.

Das Internet schläft nie und von 100.000 Fans ist immer jemand wach. Schläft das Online-Team der LINKEN dann auch nicht? Wie funktioniert das mit wenigen Ressourcen? Unserer Erfahrung nach mit Planung, Eigenverantwortung, Vernetzung, Knowhow teilen und Teamarbeit. 

Grundlage für das Tagesgeschäft ist ein Redaktionsplan, der monatlich im Vorfeld erstellt wird. Dort werden alle wichtigen Termine festgehalten und eingetragen, wann welcher Beitrag geplant ist und wer die Verantwortung hat. Dieser Plan ist kein Geheimnis. Er wird diskutiert, ergänzt, verworfen und manchmal neu geschrieben. Außerdem können hier bewusst Freiräume eingeplant werden, um tagesaktuell reagieren zu können. Dabei ist Schnelligkeit gefragt. Das funktioniert nur – gerade am Wochenende – wenn die Redakteurinnen und Redakteure Entscheidungsfreiheit besitzen. Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist dabei eine grundlegende Voraussetzung. Bürokratie und Social Media vertragen sich nicht, denn Beiträge können nicht immer bis ins Detail abgesprochen werden.

Klar ist aber auch: Eine solche Planung kann immer nur als Orientierung dienen, sie ist nicht in Stein gemeißelt. Aber sie macht die Planung transparent, hilft, alle wichtigen Aktivitäten im Blick zu behalten und ermöglicht erst eine Arbeit im Team. Und wir arbeiten im Team: Die Betreuung der LINKEN-Facebookseite ist nur in Schichten zu bewältigen. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen anderen Arbeitsschwerpunkt haben, unterstützen die Social-Media-Redaktion an Wochenenden und im Urlaubsfall. Zu großen Events wie Parteitagen oder Konferenzen wird ein Team von Ehrenamtlichen zusammengestellt. Solange die Veranstaltung läuft beantworten wir Fragen, halten die Fans auf dem Laufenden und diskutieren mit. Aber auch wir müssen mal schlafen. Nach 20.00 Uhr gibt es für niemanden im Team mehr die Pflicht zu reagieren. 

Auch für die tägliche Arbeit setzen wir auf das Wissen in der LINKEN-Community. Durch regelmäßigen Mailverkehr, aber auch durch direkten Kontakt findet ein Austausch statt. Frei nach der Devise: Warum sollen gute Ideen im Verborgenen bleiben? So verbessert man die Qualität, bleibt auf dem Laufenden, erhöht die Reichweite und spart auch Ressourcen.

Unser Erfolg ist also kein Geheimnis. Habt Mut zum Kontrollverlust – aber mit Plan und viel Leidenschaft.

Autoren:

Social-Media-Managerin DIE LINKE
Julia Marg
Julia Marg ist Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin und arbeitet als Campaignerin und Social-Media-Managerin in der Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE. Dort betreut sie alle offiziellen Kanäle der Bundespartei und erarbeitet die Kommunikationskonzepte für die Präsenz der Partei in den Sozialen Netzwerken.


Mark Seibert
Mark Seibert ist Ossi mit hessischem Migrationshintergrund. Von 2008 bis 2013 war er in der Bundesgeschäftsstelle der Partei  DIE LINKE für die Online-Kommunikation verantwortlich. Seit 2014 konzipiert und realisiert er für die Agentur DiG/Plus in Berlin Online-Kampagnen – unter anderem für DIE LINKE. 








5 Kommentare:

  1. Eigenlob.... Naja: Man riecht es.

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  2. Wenn man nicht selber von sich begeistert ist, warum sollten es dann andere sein?

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  3. Komisch, dass da nicht drinne steht, dass genau dieser Mark Seibert als aller erstes seiner Facebook-Kampagnen entwicklung die schon bestehende Gruppe DIE LINKE kaputt gemacht hat und mit klagen drohte wegen verletzung der Markenrechte.

    Wo sich DIE LINKE immer als "Mitmachpartei" darstellt und der Artikel auch genau auf diesem Image aufbaut wäre es doch mal ne wichtige Info, dass nur das Organisierte Mitmachen erlaubt ist ... dass aktive Sozialisten überhaupt erst einen Facebook Kreis aufbauten, ehe Mark überhaut Social-Media kannte wird lieber verschwiegen :(

    Torben Schultz
    Damals betroffener, heute immer noch für DIE LINKE aktiv

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