Donnerstag, 6. August 2015

Die Webseiten der Europaabgeordneten: Wie informativ und transparent präsentieren sich MdEP im Netz?

Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Jessica Kunert. Im Juli 2015 hat sie ihr Promotionsverfahren an der Leuphana Universität Lüneburg abgeschlossen. In der Promotion untersuchte sie die Webseiten der Europaabgeordneten auf Transparenz-, Informations- und Repräsentationsinhalte.

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Die Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEPs) und die Bürger – keine leichte Beziehung. Unverständnis für die Arbeit der europäischen Abgeordneten ist vorherrschend. Was von der Arbeit der MdEPs beim Bürger ankommt, hat häufig anekdotischen Charakter, man denke an die Diskussion um die Form von Gurken. Oder die Nachrichten ranken sich um Skandale, wie die BSE-Krise – ansonsten ist die Berichterstattung in den Medien rar gesät. Das zeigt, dass die MdEPs in der Wahrnehmung des Bürgers an untergeordneter Stelle stehen. Dies ist auch an der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Europawahlen zu sehen, die eine ähnliche Wichtigkeit haben wie lokale oder regionale Wahlen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Der Apparat der Europäischen Union ist wenig durchschaubar. Das Europäische Parlament bildet keine Ausnahme, allein schon, weil drei verschiedene legislative Verfahren nebeneinander benutzt werden. Auch die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments ist besonders, da die Abgeordneten verschiedene politische Kulturen und Sprachen in die Arbeit des Parlaments einbringen. Außerdem sind die Wahlkreise des Europäischen Parlaments um ein Vielfaches größer als die der nationalen Abgeordneten, was einen direkten Kontakt zum Bürger erschwert. 
 
Webseite MdEP Julia Reda (Piratenpartei)
All dies trägt dazu bei, dass die Kommunikation mit dem Bürger für die Abgeordneten keine leichte Aufgabe ist. Wen sollen die MdEPs ansprechen, und in welcher Sprache? Auf welchen Kanälen? Das Internet und besonders persönliche Webseiten haben das Potential, die Kommunikationslücken aufzufangen. Das Internet besitzt viele Charakteristika, die hierbei von Vorteil sind: es können verschiedene Medien – Text, Videos, Bilder – auf einer einzigen Webseite gezeigt werden, das Internet hat keine Schließszeiten wie es Bürgerbüros haben, und es kann von überall genutzt werden, braucht somit keinen festen physischen Ort. 
 
Wie schaut die Nutzung von persönlichen Webseiten in der Praxis für die deutschen MdEPs (der Wahlperiode von 2009 bis 2014) aus?

Eine Webseite zu haben ist die Norm


Von den 99 untersuchten deutschen MdEPs hat nur ein Abgeordneter keine Website – aber dafür Facebook. Allein dies macht deutlich, dass die Onlinekommunikation für die Abgeordneten einen hohen Stellenwert hat. Der Vergleich mit den Bundestagsabgeordneten (MdBs) zeigt ähnliche Zahlen: von den 621 Abgeordneten hatten nur fünf keine Webseite.



Die Webseiten sind meist nur auf Deutsch gehalten



Screenshot
Webseite Reinhard Bütikofer (Bündnis 90/Die Grünen)
Die gesamte Website in einer anderen Sprache als auf Deutsch zu präsentieren ist dahingegen nicht verbreitet. 97 % der Abgeordneten zeigen ihre Inhalte auf Deutsch, und nur drei MdEPs übersetzen ihre gesamte Webseite in eine andere Sprache. Was allerdings häufiger zu sehen ist, dass Teile der Webseite übersetzt werden, was 25 % der MdEPs tun. Hierbei wird vor allen Dingen der Lebenslauf übersetzt – meist auf Englisch –, und auch Nachrichten. Von den Bundestagsabgeordneten zeigt kaum einer seine gesamte Webseite in einer anderen Sprache, es sind 4 von den 616 Abgeordneten (= 0,75 %). Aber 15 % der MdBs präsentieren einzelne Inhalte in anderen Sprachen. Auch hier ist es meistens der Lebenslauf, der auf Englisch, aber auch auf Französisch, Russisch oder Hebräisch gezeigt wird.

Viele Webseiten zeigen vertiefende Informationen und machen Interaktionsangebote


Wie schaut es mit den Inhalten auf den Webseiten aus? Ein Inhaltstyp sind Elemente, die vertiefende Informationen zeigen und zur Interaktion mit dem Bürger beitragen, wie z.B. ein Weblog oder vertiefende Informationen zum Gesetzgebungsprozess, die durch Reden und Berichte verfügbar gemacht werden. Um einen ersten Eindruck zu geben, wurden diese Elemente, die unten im Einzelnen aufgeführt werden, zu einem Index zusammengefasst, dem Transparenzindex. Hierbei ist in den Grafiken zu sehen, dass sich die MdEPs und die MdBs in ihrem Gebrauch von Transparenzelementen nur wenig unterscheiden.

Balkendiagramm
Abb 1. Transparenzindex Vergelich Europa- und Bundestagsabgeordnete

  Aufgeschlüsselt handelt es sich beim Transparenzindex um folgende Elemente:
 
Abb 2. Transparenzelemente der Webseiten einzeln aufgeschlüsselt


Besonders auffällig ist, dass die MdEPs ihre eigene Arbeit und politischen Funktionen wesentlich häufiger auf ihrer Webseite erklären als die MdBs – was darauf hindeutet, dass die europäischen Abgeordneten besonders daran arbeiten, die Informationslücken in dieser Hinsicht zu schließen. Ein Weblog als Kommunikationsmittel wird dahingegen auf beiden politischen Ebenen kaum genutzt.

Fazit


Alles in allem lässt sich sehen, dass eine persönliche Webseite ein von den MdEPs häufig genutzter Kanal ist, auch im Vergleich mit den nationalen Abgeordneten. Die eigene Sprache herrscht bei den Webseiten vor, selbst wenn einige Teile von einer Minderheit auf Englisch und andere Sprachen übersetzt werden. Bei den Transparenzinhalten unterscheiden sich die MdEPs nur in Details von den MdBs. Das bedeutet, dass die eigene Präsentation online für beide politische Ebenen einen großen Stellenwert einnimmt. So kann nicht nur die Abhängigkeit von den Medien reduziert werden, sondern auch die Informationslücke zu den Wählern zumindest in Teilen geschlossen werden.


Autorin:  

Jessica Kunert
Jessica Kunert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft (Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre) an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg. Sie hat im Juli 2015 ihr Promotionsverfahren an der Leuphana Universität Lüneburg abgeschlossen. In ihrer Dissertation untersuchte sie die Webseiten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments und nationalen Abgeordneten auf Transparenz-, Informations- und Repräsentationsinhalte.

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