Freitag, 23. März 2012

Was ich mir von der Bürgerschaft wünsche...#5

Manchmal kritisiere ich an dieser Stelle Sachen, die die Hamburgische Bürgerschaft betreffen. Aus Gründen. Und nicht weil ich so gerne kritisiere, sondern weil ich möchte, dass das Parlament wieder mehr in die Mitte der Hamburger Gesellschaft rückt, sich wieder mehr Leute mit der Politik ihres Bundeslandes beschäftigen und die Volksvertretung enger mit ihren Wählern - auch zwischen den Wahlen - in Austausch tritt.

In den letzten Wochen hatte ich leider wieder öfter den Eindruck, als habe das Parlament und die Bürgerschaftskanzlei kein Interesse daran, dass Demokratie in dieser Stadt gelebt wird.

Da sich eine Reihe von Punkten angesammelt haben, widme ich diese Woche der Kritik an der Bürgerschaftskanzlei. Die weiteren Kritikpunkte lesen Sie hier. Zum Abschluß:

Die Rechte am bewegten Bild der Bürgerschaftssitzungen

Stellen sie sich vor, sie kaufen eine Eintrittskarte, gehen zu einem HSV- oder St. Pauli-Spiel und wollen dort ein paar Fotografien von sich, den Spielern und dem Stadion machen, um sie eventuell später auch einmal privat zu veröffentlichen.
Dies aber wird ihnen untersagt, da die Fotorechte im Stadion vom Verein an die BILD-Zeitung oder die sympathische Energie- und Gebäudetechnikfirma Imtech verkauft wurden.

Ergänzende Vereinbarung Vertrag mit Hamburg1
Klingt komisch?

Genau so sieht es aber in der Hamburgischen Bürgerschaft aus.

Im Jahr 1996 schloss die Bürgerschaftskanzlei mit dem Hamburger Privatsender Hamburg1 einen exklusiven Vertrag, der

- dem Sender kostenlos die Rechte am bewegten Bild der Bürgerschaftssitzungen überträgt
- der Bürgerschaft die Möglichkeit gibt kostenneutral Aufnahmen der Sitzungen für das Rathausfernsehen und für das Livestreaming anbieten zu können

Der komplette Vertrag liegt mir nach einer Anfrage nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz vor und kann hier eingesehen werden.  


Konkret heisst es da: 

Punkt 1







und unter Punkt 5 neu gefasst am 16.04. 2003 









Zusammengefasst bedeutet dies:

Dafür das Hamburg1 vor 16 Jahren mal eine Kamera installiert hat, die weiter Eigentum von Hamburg1 ist, gehören dem Sender nun die kompletten Rechte an allen Reden und Aufnahmen weiterer Veranstaltungen im Rathaus.

Auch wenn der Bürgerschaftskanzlei Nutzungsrechte an dem Videomaterial eingeräumt werden, ist es verboten und schlichtweg auch praktisch nicht möglich Aufnahmen von Reden aus der Bürgerschaft als Video nichtgewerblich zu veröffentlichen. Einzige Ausnahme sind Abgeordnete, die über einen YouTube-Kanal verfügen. Diese erhalten auf Anfrage mitgeschnittene Reden zur individuellen Veröffentlichung.

Auch wenn der Bürgerschaftskanzlei Nutzungsrechte an dem Videomaterial eingeräumt werden, ist aufgrund des Urheberrechtes leider nicht möglich Hamburg1-Aufnahmen von Reden aus der Bürgerschaft als Video nichtgewerblich zu veröffentlichen. Ausnahme sind Abgeordnete, die über einen YouTube-Kanal verfügen. Diese erhalten auf Anfrage mitgeschnittene Reden zur individuellen Veröffentlichung. Zudem besteht die Möglichkeit für andere Journalisten selber Bewegtbildaufnahmen anzufertigen und zu nutzen. Normale Besucher der Bürgerschaft dürfen keine Videoaufnahmen anfertigen.

Ich habe es versucht!

Gerne wollte auf meinem Blog eine Debatte einer spannenden Plenarsitzung dokumentieren. Da die Veröffentlichung des Protokolls der Sitzung über 3 Monate dauert und Videos ein lebhafteres Bild erzeugen, wollte ich die Reden der Bürgerschaft gerne in meinen Blog einbinden.

Sowohl die Bürgerschaftskanzlei, als auch die Geschäftsführung von Hamburg1 verwiesen mich auf den Vertrag und konnten mir deshalb keine Videos zur Verfügung stellen.

Das bedeutet:

Die von Hamburg1 produzierten Videoaufnahmen der öffentlichen Reden meiner gewählten - und durch meine Steuergelder finanzierten - Volksvertreter sind urheberrechtlich so geschützt, dass eine kostenlose Veröffentlichung durch Dritte nicht möglich ist. Die Reden werden im Wortlaut in den Plenarprotokollen veröffentlicht.

Wünschenswert wäre es, wenn es mittelfristig die Möglichkeit gibt, dass auch normale Bürger Teile der Bürgerschaftssitzungen mit filmen dürfen, um sie dann privat und nicht-gewerblich zu nutzen.

Diese Konstellation empfinde ich als ein Armutszeugnis verbesserungswürdig für ein demokratisch gewähltes und von den Steuergeldern der Hamburger Wähler finanziertes Parlament.
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD)

Ich wünsche mir, dass im Sinne einer lebhaften politischen Willensbildung und einer aktiven politischen Bildung der Hamburger Bevölkerung ALLE Redebeiträge der gewählten Volksvertreter zur nicht-kommerziellen Verwertung durch die Bürger zur Verfügung stehen!

Liebe Frau Bürgerschaftspräsidentin Veit übernehmen Sie.





2 Kommentare:

  1. Im Namen von Ulfert Kaphengst (Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll/
    Pressesprecher der Hamburgischen Bürgerschaft) veröffentlicht:


    "So ein Nonsens. Alle Sitzungen der Bürgerschaft sind öffentlich. Jeder Journalist und jeder Sender kann dort Aufnahmen machen und diese veröffentlichen. Hier geht es um Fragen des Urheberrechts und den Wunsch des Wahlbeoachters, kostenlos das Material zu veröffentlichen, das Hamburg 1 produziert hat. Er kann ja gerne dort filmen, das will er aber ja nicht ... Auch twittern ist auf der Pressetribüne erlaubt. Wir stellen dort extra eine WLAN-Verbindung zur Verfügung. Was lernen wir? Fragen hilft. Es sei denn, man arbeitet nach dem Grundsatz "only bad news are good news"

    AntwortenLöschen
  2. Vielen Dank für ihr Posting Herr Kaphengst.
    Ihr Kommentar beschreibt das Problem sehr gut:

    1. Es geht nicht darum, ob ein paar akredidierte Journalisten twittern. Mir geht es darum, dass JEDER Bürger das Recht erhält dies aus der Bürgerschaft zu tun. Um so schöner, dass ich mit meinem Blog eine Initiative zur Änderung der Hausordnung initiiert habe. Solche Änderungen machen die Hamburger Politik erlebbarer.

    2. Danke für den Hinweis, dass alle Journalisten und Sender Aufnahmen von den Sitzungen und Reden machen dürfen. Schön wäre es, wenn auch JEDER Bürger das Recht erhielte - ohne Akreditierung - Filmaufnahmen anfertigen zu dürfen und zu veröffentlichen.

    3. Bis heute 14.30 Uhr wurde mir leider noch von keinen Mitarbeiter der Bürgerschaft angeboten, dass ich selber Bewegtbildaufnahmen machen darf. Dies erfolgte erst heute in einem persönlichen Gespräch in der Bürgerschaft!

    Leider hätte dies im erwähnten Fall auch nichts gebracht, da die besagte Sitzung in der Vergangenheit liegt.

    4. Ich persönlich freue mich immer mehr über "good news" und deshalb finden sich in fast jedem Posting, in dem konstruktive Kritik steckt auch immer ein Lob für die Arbeit der Bürgerschaft. Nichtsdestotrotz gibt es immer etwas zu verbessern...

    Ich freue mich über weitere Kommentare zu diesem Thema!

    AntwortenLöschen