Dienstag, 5. März 2013

Politrüpel, Kriegstreiber und Ferkel - Ordnungsrufe in der Bürgerschaft

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An vielen Orten der Hansestadt zog man in den letzten Tagen Halbzeitbilanz des SPD-Senats unter Olaf Scholz. Dabei gab es Lobhudeleien, Abrechnungen, emotionale Ausbrüche und Schulterklopfer - je nach parteipolitischer Färbung der Bilanz.

Deshalb möchte ich die parlamentarischen Bilanzen um eine weitere ergänzen, die der Ordnungsrufe.In der vergangenen zwei Jahren fanden 54 Plenarsitzungen in der Hamburgischen Bügerschaft statt. 

In diesen Sitzungen gab es lediglich sieben offizielle und dokumentierte Ordnungsrufe durch das Präsidium der Bürgerschaft. Nach Fraktionen verteilt ergibt sich folgende Ausbeute: 

SPD III
CDU
Grüne I 
Linke III 
FDP

Der Ordnungsruf gehört zu den härtesten Sanktionsmitteln eines Abgeordneten durch das Parlament.

Aber für was bekommt man denn eigentlich einen Ordnungsruf?


Am Rednerpult: "Bei keinem Mann würden Sie sich darüber aufregen. Der Kollege dahinten mit seinem gelben Schlips, Herr Wersich, hat – ich zitiere jetzt einmal – von "Verarschung" gesprochen und das fanden Sie überhaupt nicht schlimm. Kaum sagt eine Frau einmal – ich zitiere –"scheißegal", müssen Sie das ewig ausbreiten." (Heike Sudmann, Die LINKE.)

Zwischenruf: "Gerade nicht bei dieser Scheiße!
(Norbert Hackbusch, Die LINKE.)

Am Rednerpult: "Es ist nett, dass Sie nach vier Minuten einmal für Ruhe sorgen, Frau Präsidentin, vielen Dank." (Urs Tabbert, SPD)  

Zwischenruf (bezogen auf vorherigen Ordnungsruf):"Das ist auch nicht in Ordnung, Sie unterbrechen ihn dauernd!" (Arno Münster, SPD)

Nachträglicher Ordnungsruf nach Beratungen des Ältestenrates: Für einen ungenauen und nicht bewiesenen Vorwurf gegenüber der FDP, dass diese mit der Glücksspielindustrie paktiert.
(Kersten Artus, Die LINKE.) 

Zwischenruf: "Das ist doch schon seit 40 Jahren so!"
(Gabriele Dobusch, SPD)

Benutzung von Facebook: Posting eines Fotos aus dem Plenarsaal auf dem sozialen Netzwerk Facebook (Farid Müller, Bündnis 90/Die Grünen)
Mehr hierzu habe ich auch schon an anderer Stelle gebloggt




Vor einigen Jahren zitierte die Hamburger Morgenpost einmal eine inoffizielle Liste des damaligen Bürgerschafts-Präsidiums mit 150 Begriffen, die man im Parlament nicht in den Mund nehmen durfte, darunter unter anderem: Polititrüpel, Kriegstreiber und Ferkel. 

Auf Anfrage an das aktuelle Präsidium der Bürgerschaft wurde mir versichert, dass es solch eine Liste, ein Wörterbuch für den parlamentarischen Sprachgebrauch nicht gibt. Grundsätzlich ist es so, dass der Präsident/die Präsidentin im Moment der Sitzungsleitung das Hausrecht ausübt und allein, gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Präsidium entscheidet, welches Verhalten einen Ordnungsruf nach sich zieht. Das Präsidium sieht sich aber nicht als Zuchtmeister des Parlaments, vielmehr sollen  die Ordnungsrufe das faire und kollegiale Verhalten fördern.


Die komplette Übersicht über die 150 Begriffe, die 2009 auf der Liste der "verbotenen Worte" standen, sind auf den Seiten der Hamburger Morgenpost dokumentiert:

Von Agent bis Frechheit 
Von gelogen bis Politrüpel  
Von Quaknase bis armseliger Zwischenrufe


Copyright Foto:  Riedel, Dubring, Bäuerin mit Ferkeln. Bundesarchiv, Bild 183-73965-0001 / CC-BY-SA unter CC-BY-SA 3.0-Lizenz von Wikimedia Commons. 

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