Dienstag, 17. Dezember 2013

Kolumne: #LobbyTweet

Ein Blog goes Papier. Dank der Fachzeitschrift "politik & kommunikation" gibts meine Postings auch als Kolumne und auf Totholz. In meiner fünften Kolumne (Seite 23) in der Dezember-Ausgabe habe ich eine Idee entwickelt, wie man mit Hilfe von Social Media mehr Transparenz ins Lobbygeschäft bringen kann. Ein neuer Impuls für die deutsche Lobbydiskussion.

Hier das Blog-Crossposting dieser Kolumne.

Die neue Transparenzoffensive begann Mitte Oktober mit einem Foto, darauf eine blaue Wundertüte und ein Kugelschreiber. Und dazu der Kommentar: #INSM, dein Geschenk geht zurück. An diesem Tag macht MdB Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) das, was sie immer macht, wenn sie unaufgefordert Geschenke von Interessengruppen erhält: Sie sendet sie zurück. Nur in diesem Fall machte sie ihren Unmut öffentlich. Ihre mehr als 2000 Follower nahmen daran teil. Auch „DIE WELT“ griff diesen Tweet auf.
  

Seitdem twittert die grüne Bundestagsabgeordnete immer wieder mal über Geschenke, die sie nach der Wahl erhalten hat – und macht so den politischen Alltag mithilfe von Social Media etwas transparenter. Verbindet man das Foto auch noch mit einem Kommentar oder einer politischen Aussage über den Absender kann man gleichzeitig damit eigene politische Positionen kommunizieren.

Bereits seit einigen Jahren veröffentlichen einzelne Abgeordnete wie die MdBs Marco Bülow und Ulrich Kelber (beide SPD) sowie MEP Reinhard Bütikofer (Bündnis 90/Die Grünen) Termine mit Lobbyisten auf ihren Webseiten. Auf Landesebene veröffentlicht unter anderem Pirat Christopher Lauer seit vergangenem Jahr alle Termine mit Lobbyisten online. Und der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold kürt monatlich die „Lobby-Einladung des Monats“. 

Nachtrag: Auch die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner veröffentlicht schon länger "Skurrile Lobbyistengaben" via Facebook. Eine sehr schöne Sammlung ist da bereits zusammengekommen.

Lobby-Einladung des Monats
Screenshot sven-giegold.de
Warum veröffentlichen nicht all jene Parlamentarier solche Informationen beispielsweise über Twitter und Facebook, die sich für mehr Transparenz im politischen Alltag einsetzen?

Durch einen standardisierten Hashtag könnte jeder folgen, der sich für dieses Thema interessiert.

Das hätte gleich mehrere Vorteile:  Für die Wissenschaft, für gesellschaftliche Gruppen und Journalisten entsteht so eine Datenbank mit Terminen, Geschenken und Aktivitäten. Über längere Zeit ließe sich so nachverfolgen, wer wann wen in welchem Kontext kontaktiert.

Politiker könnten so zeigen, wie wichtig Lobbyismus für Politik und Demokratie ist und welchen Mehrwert solche Gespräche für sie haben. Zudem ließe sich so einfach darstellen, dass nicht nur Unternehmen lobbyieren, sondern auch Verbände, NGOs, Selbsthilfegruppen, kulturelle Einrichtungen, Gewerkschaften und Kirchen.

Die Darstellung des politischen Alltags eines Abgeordneten könnte neben Postings aus dem Parlament, von Veranstaltungen und Bürgergesprächen so zudem um eine weitere Nuance erweitert werden. Ebenso könnten Interessenvertreter das Hashtag verwenden, um selber öffentlich zu machen, wann und mit wem sie gesprochen haben. 

Lobbyismus ist kein Mysterium. Es ist Handwerk, und als solches sollte es der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Aktion könnte dazu beitragen, dass sich das Verhältnis zwischen Politikern und Interessengruppen normalisiert und die öffentliche Skandalisierung von Lobbyismus abnimmt.

Selbstverständlich ersetzen Transparenz-Tweets kein Lobbyregister, keine Verhaltensnormen, nicht die notwendigen Änderungen beim Thema Abgeordnetenbestechung und auch nicht den schon seit Jahren diskutieren „Legislativen Fußabdruck“ in Gesetzen. Aber es wäre ein neuer Impuls für die Transparenzdiskussion in Deutschland, die seit Jahren keine wirklich sichtbaren Fortschritte macht. 
      
Weltweit sind bisher keine Projekte dieser Art bekannt. Deutschland hätte also an dieser Stelle die Möglichkeit Vorreiter einer neuen Social-Media-Transparenz-initiative zu werden und so zu zeigen, dass auch von Berlin aus Social-Media-Innovationen möglich sind.
   
Alle Abgeordnete und Lobbyisten sollten sich der Initiative anschließen und es Agnieszka Brugger gleich tun. Für mehr politische Wundertüten auf Twitter, Facebook und Google+.

Meine Vorschlag für einen gemeinsamen Hashtag: #LobbyTweet

Update:  Folgende Parlamentarier nutzen nach Veröffentlichung der Kolumne das Hashtag #LobbyTweet um über Lobby-Termine zu berichten:

MdB Marco Bülow (SPD)
MdB Tabea Rößner (Grüne)
MdB Agnieszka Brugger (Grüne) 
MdL Michele Marsching (Piraten)
MdL Birgit Rydlewski (Piraten)
MdL Daniel Schwerd (Piraten)
MdL Daniel Düngel (Piraten)


6 Kommentare:

  1. Sind das nicht zwei verschiedene Dinge? Auf der einen Seite die Veröffentlichung der Termine von MdBs und auf der anderen Seite das twittern von Einladungen, Geschenken, etc. Das erste würde tatsächlich Transparenz bringen, das andere ... naja, will ich wirklich 30 Tweets am Tag mit Wundertüten, Adventskalendern, Kugelschreibern und anderem Kram lesen? Eher nicht ... Und es bleibt natürlich das Problem mit dem Trittbrettfahren - wie will man verhindern, dass einige mehr als transparent sind und andere einfach weiter machen wie bisher?!?

    AntwortenLöschen
  2. Vielen Dank für die Anmerkungen Daniel.

    Ja in der Tat sind das zwei verschiedene Sachen. Aber gerade weil die Bandbreite von Lobbyismus weit ist und auch die Veröffentlichungs-Bereitschaft von Politikern/Lobbyisten unterschiedlich ist, wollte ich die Idee extra breiter ansetzen und nicht auf eine "Veröffentlichungs-Kategorie" beschränken.

    Was das lesen von unspannenden Tweets angeht. Es muss ja niemand den #Hashtag abbonieren und wenn wir ehrlich sind werden gerade am Anfang nicht so viele Politiker/Lobbyisten mitmachen. Wenn es dann läuft wird sich n der Politik ein Standard einspielen, was getwittert wird und was nicht.

    Da es eine komplett freiwillige Initiative ist und insbesondere vor dem Hintegrund, dass (noch) nicht alle Politiker Social Media nutzen, werden immer einige diese Idee aktiver verfolgen, andere weniger. Das ist wie mit allen Projekten, egal in welchem Bereich. Die aktiven Nutzer werden aber die Vorteile schnell bemerken und auch von der medialen Berichterstattung profitieren, mehr als die die sich der Idee verschließen.

    We will see.

    Und es ist ja bisher auch nur eine Idee ;)

    Nochmal danke für deine Replik.

    AntwortenLöschen
  3. Lieber Martin Fuchs,
    das machen noch mehr Abgeordnete. Wir (Büro Tabea Rößner MdB, medienpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Bundestag) beispielsweise haben bei Facebook extra ein Album eingerichtet, genannt "Die unregelmäßge Reihe der skurrilen Lobbyistengaben". Unsere Erfahrung ist es, dass es nicht nur Transparenz schafft, sondern auch Spaß macht und sehr beliebt ist. Viele Grüße, Svea

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Svea,

      diese wirklich schön-skurrile Sammlung kannte ich noch gar nicht. Herzlichen Dank für den Hinweis. Habe das Facebook-Album soeben auch noch im Text ergänzt. Wäre jetzt natürlich schön, wenn Sie auch noch die Bilder mit #LobbyTweet vertaggen könnten ;)

      Bitte weitermachen.
      Beste Grüße
      Martin Fuchs

      Löschen
  4. Lieber Martin, das können wir machen, wobei...lobbyTWEET bei Facebook...?
    Grüße, Svea

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Svea,

      ja "Tweet" ist ja nur eine Name und die sind ja bekanntlich Schall und Rauch ;) Macht das Auffinden auch via Facebook einfacher und standardiersiert die Transparenzaktivitäten auch dort. Ich gebe aber zu, dass sich Hashtags via Facebook bisher noch nicht so durchgesetzt haben.

      Cool!

      Löschen