Mittwoch, 22. April 2015

Wie führt man eine Parteimarke im Spannungsfeld von Wähler- und Mitgliederanforderungen?


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In den letzten Jahren hat das Thema Branding eine zentrale Rolle im Forschungsfeld Political Marketing eingenommen. Parteien erkennen zunehmend die Bedeutsamkeit ihrer Marken in der Beziehung zwischen Partei und Wähler, die empirische Untersuchung von Branding in der Politik ist aber bislang auf wenige Fallstudien, zumeist ex-post Analysen von Wahlkampagnen, limitiert. Diese Beschränkung ignoriert, dass die Beziehung zwischen Wähler und Partei nicht zwischen den Wahlkämpfen abbricht. Darüber hinaus wird die Rolle der Parteimitglieder zumeist marginalisiert, was vor dem Hintergrund ihres programmatischen und personellen Sanktionspotenzials fraglich erscheint. Die Studie untersucht unter Verwendung des Konzepts der Markenidentität und des analytischen GAP-Modells zur identitätsorientierten Markenführung die Auswirkungen von Entscheidungen des Parteimanagements sowohl auf Wähler als auch auf Parteimitglieder am Beispiel der CDU und der SPD.

FORSCHUNGSMETHODIK

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Die Studie basiert auf einer Erhebung unter 239 Mitgliedern der CDU, 266 Mitgliedern der SPD sowie 502 repräsentativ ausgewählten Wählern. Das GAP-Modell zur identitätsorientierten Markenführung operationalisiert in der Studie das Markenselbstbild der Parteimitglieder und das Markenfremdbild der potenziellen Wähler der
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jeweiligen Partei
. Zur Berechnung des GAP-Modells wird sowohl das reale Markenimage einer Partei als auch das Markenimage einer idealen Partei bei Parteimitgliedern und potenziellen Wählern abgefragt. Das Markenimage wird dabei jeweils durch 20 verschiedene Eigenschaften wie beispielsweise „demokratisch“, „europäisch“, „sympathisch“ und „traditionsbewusst“ mehrdimensional erfasst, welche die Studienteilnehmer – je nach Parteiaffinität – auf einer 5er-Skala hinsichtlich der CDU oder der SPD („trifft voll und ganz zu“ bis „trifft gar nicht zu“) und einer idealen Partei („sehr gut“ bis „sehr schlecht“) bewerteten. Für jede der beiden Parteien (hier dargestellt am Beispiel der CDU) ergibt sich in der Gesamtsicht aller Teilnehmer somit erstens ein Selbstbild, das aus den Elementen Real Own Party (Wie ist die CDU in der Realität aus Sicht der Mitglieder?) und Ideal Own Party (Wie sollte die ideale CDU aus Sicht der Mitglieder sein?) besteht. Zweitens entsteht ein Fremdbild mit den Bestandteilen Real Party (Wie ist die CDU in der Realität aus Sicht der Wähler?) und Ideal Governing Party (Wie sollte die ideale Partei mit Regierungsverantwortung aus Sicht der Wähler sein?)


Durch die Kontrastierung des Selbstbildes mit dem Fremdbild können vier unterschiedliche konzeptionelle Lücken (Gaps) dargestellt werden, welche die Diskrepanzen zwischen der Perzeption des Markenimages auf Seiten der Wähler und der Perzeption der Parteimitglieder explizieren (Abbildung 1). Das External Identification Gap ist hierbei Ausdruck für die Lücke zwischen den Anforderungen der Wähler an eine Idealpartei und dem tatsächlichen Bild, das sie von dieser Partei haben. Das Internal Identification Gap beschreibt die Lücke zwischen dem idealen und dem tatsächlichen Bild der Mitglieder von ihrer Partei. Das Desire Gap stellt die Diskrepanz zwischen den Idealvorstellungen der Wähler auf der einen und denen der Parteimitglieder auf der anderen Seite dar. Das Communication Gap ist die Differenz zwischen der Wahrnehmung einer Partei durch ihre Mitglieder und der Wahrnehmung durch die Wähler.

Die Studie analysiert diese Gaps für jede Partei und simuliert einerseits die Konsequenzen einer Markenführungsentscheidung, die den Präferenzen der Wähler folgt, und andererseits die Auswirkungen einer Strategie, welche die Idealvorstellungen der Parteimitglieder umzusetzen sucht.

Abbildung 1: Die vier Gaps der Markenwahrnehmung von Wählern und Parteimitgliedern

 

KONSEQUENZEN DER MARKENFÜHRUNG VON PARTEIEN


Die Markenführungsentscheidungen von Parteien wirken sich sowohl auf die Markenimages von Wählern als auch von Mitgliedern aus. In der Strategieportfoliomatrix (Abbildung 2) werden die Konsequenzen der aufgezeigten Markenführungsstrategien für beide Parteien dargestellt: bei der CDU würde beispielsweise eine auf Wählerpräferenzen ausgerichtete Markenführung zwar das Identifikationsgap der Wähler (External Identification Gap) von 21,59 auf 15,18 verringern, das Identifikationsgap der Mitglieder (Internal Identification Gap) aber von 9,73 auf 12,02 erhöhen. Eine mitgliederorientierte Strategie würde im Gegensatz dazu bei der SPD nicht nur zu einer Verringerung des Identifikationsgaps der Wähler von 20,87 auf 16,10 führen, sondern auch zu einer Verminderung des Identifikationsgaps der Mitglieder von 12,61 auf 11,72.

Abbildung 2: Strategieportfoliomatrix


Das Ausrichten der Markenführung an den Idealvorstellungen von Wählern vermag den potenziellen Wahlerfolg zu steigern, riskiert aber einen Konflikt innerhalb der Partei, der final sogar zur Parteispaltung führen könnte. Ein gesteigertes Konfliktpotenzial zeigt sich hier auf der aggregierten Ebene insbesondere für die CDU. Im Falle der SPD ist die Steigerung des Konfliktpotenzials im Mittel über alle untersuchten Mitglieder nicht sichtbar, auf der Ebene einzelner Gruppen von Parteimitgliedern vergrößert sich das Internal Identification Gap aber substantiell. Alternativ haben die untersuchten Parteien hingegen die Möglichkeit, sich durch die Ausrichtung an den Idealvorstellungen der Parteimitglieder, beispielsweise über eine funktionierende parteiinterne Demokratie, ebenfalls den Vorstellungen der Wähler anzunähern, somit ihre Wahlchancen zu verbessern und dabei zudem noch das parteiinterne Konfliktpotential zu senken (SPD), respektive es zumindest konstant zu halten (CDU). Die von der Parteiführung gewählte Markenführungsstrategie hat somit nicht nur konkrete Auswirkungen auf die Wahlwahrscheinlichkeit bei den Wählern, sondern auch auf die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Konflikten innerhalb einer Partei kommt. Durch eine strategische Einbindung der Mitglieder kann dieses interne Konfliktpotenzial verringert werden, ohne dass die Markenführungsstrategie bei Wählern substantiell an Effektivität verliert.

Parteimitglieder der SPD
Weiterhin zeigen die Ergebnisse bezüglich der Bedeutsamkeit des Communication Gaps, dass Parteimitglieder in der Kommunikation einer Partei eine wichtigere Rolle einnehmen als ihnen die Forschung im Feld Political Marketing bisweilen zugesteht. Mitglieder haben nicht nur Sanktionsmöglichkeiten, sondern können auch wesentlich auf den potenziellen Wahlerfolg einer Partei einwirken, indem sie möglichen Wählern ihr persönliches Markenimage der Partei direkt vermitteln. Hierdurch wird das External Identification Gap der potenziellen Wähler verkleinert und somit die Wahrscheinlichkeit vergrößert, dass diese Wähler für eine Partei stimmen.

Für Parteien bedeutet dies, dass sie mehr Vertrauen in Ihre Mitglieder haben und ihnen eine größere Rolle in der direkten Kommunikation mit potenziellen Wählern zugestehen sollten. Eine Partei, die ihren Mitgliedern Möglichkeiten und Werkzeuge zur Verfügung stellt, mit denen sie beispielsweise Freunde und Bekannte von ihrem eigenen Bild der realen Partei überzeugen können, nutzt das große Potenzial, die Wahlwahrscheinlichkeit von möglichen Wählern effektiv und effizient zu erhöhen. Hierzu ist es nicht notwendig, den Mitgliedern ein geschöntes oder optimiertes Bild der eigenen Partei zu vermitteln, sondern dialogische Kommunikation zwischen Mitgliedern und potenziellen Wählern anzuregen und zu unterstützen.

Bibliografische Informationen:
Schneider, H. und Ferié, F. (2015). How to Manage a Party Brand: Empirical Perspectives on Electoral Probability and Internal Conflict. Journal of Political Marketing 14 (1-2): 64–95.
Link zum Artikel: http://bit.ly/pmbrand

Hinweis:
Die Autoren haben vom Verlag eine begrenzte Anzahl von kostenlosen digitalen Autorenkopien des Artikels erhalten, die sie gerne interessierten Lesern aus Forschung und Praxis zur Verfügung stellen. Bitte kontaktieren Sie bei Interesse Frederik Ferié (f.ferie@steinbeis-smi.de).

Autoren:

Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider
Professor Dr. Dr. Helmut Schneider ist seit 2006 Inhaber des SVI-Stiftungslehrstuhls für Marketing und Dialogmarketing an der Steinbeis School of Management and Innovation, Steinbeis-Hochschule Berlin. Seinem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaft sowie der Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster folgten Promotionen in beiden Fächern. Im Anschluss an seine Habilitation, ebenfalls an der Universität Münster, war er als Gastdozent an der Marmara Universität Istanbul tätig. Prof. Schneiders Forschungsinteresse gilt Fragestellungen mit gesellschaftlicher Relevanz, wie z.B. der Kommunikation im öffentlichen Sektor, dem freiwilligen Engagement oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In diesem Zusammenhang war er Mitglied der Sachverständigenkommission zur Erstellung des achten Familienberichts.
Google-Scholar-Autorenprofil


  
Frederik Ferié
Frederik Ferié ist seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am SVI-Stiftungslehrstuhl für Marketing und Dialogmarketing an der Steinbeis School of Management and Innovation, Steinbeis-Hochschule Berlin. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Tel Aviv University war Ferié zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraktionsvorsitzenden der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, verantwortlich für den Bereich Internationale Politik. Im Rahmen seines Promotionsvorhabens befasst er sich mit den Forschungsfeldern Political Marketing und Dialogmarketing.
Twitter: @frederikferie 
ResearchGate-Profil: http://bit.ly/frederikferie







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