Dienstag, 15. September 2015

Wie nutzen die Bundesländer Facebook? - Die Strategien der Staatskanzleien

Dies ist ein Gastbeitrag der Medienforscherin Romy Kertzsch. Er basiert auf Ihrer Abschlussarbeit an der TU Dresden, in der sie die Facebook-Aktivitäten der Staatskanzleien untersucht hat.  


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Die Bedeutung sozialer Medien wächst und wächst. Davon sind auch Politik, Verwaltung und andere öffentliche Einrichtungen nicht ausgenommen. Als Beispiele seien hier twitternde Minister, die Facebook-Seite der Bundesregierung und ein zwitschernder Regierungssprecher angeführt. Aber auch auf Länderebene wird rege in sozialen Netzwerken kommuniziert. Nicht immer ist dabei auf den ersten Blick eine Kommunikationsstrategie ersichtlich. Um vorhandene Strategien und Ziele aufzuzeigen, wurden die Social-Media-Verantwortlichen der Staatskanzleien befragt. An der Untersuchung nahmen elf Bundesländer teil. Da die Interviews anonymisiert werden mussten, kann im weiteren Verlauf des Artikels nicht auf einzelne Länder und ihre Facebook-Seiten Bezug genommen werden.


Beruflicher Hintergrund und Beziehungsgeflecht der Kommunikationsakteure


Trotz der allseits beklagten Personal-Knappheit beschäftigt die Mehrheit der Staatskanzleien mindestens einen Mitarbeiter, der ausschließlich für Online- und Social-Media-Kommunikation zuständig ist. Dieser ist meist ausgebildeter Politikwissenschaftler. Anders als in vorherigen Studien (vgl. Tenscher, 2003; Baumgartner, 2010; Heinze 2012) sind journalistische Vorerfahrung ebenso wenig vertreten wie verwaltungswirtschaftliche Karriereverläufe. Dabei besitzt der Großteil der Social-Media-Verantwortlichen einen großen Handlungsspielraum gegenüber ihrem Vorgesetzten. Politisch brisante Themen sind hier jedoch ausgenommen.

Über die Grenzen der Staatskanzleien hinaus wird auch mit anderen Ministerien des Bundeslandes zusammengearbeitet. Dabei geht die Initiative zur ressortübergreifenden Kommunikation meist von den Mitarbeitern der Staatskanzleien aus. Das Verhältnis zu externen Agenturen oder Beratungen ist dagegen nicht sehr stark ausgeprägt. Die inhaltliche, strategische und konzeptionelle Planung der Social-Media-Auftritte wird von den Abteilungen allein getroffen. Lediglich in der Anfangsphase, bei Wissen über technische Veränderungen innerhalb der Netzwerke oder bei der 24-stündigen Überwachung und Evaluation der Kanäle greifen einige Länder auf externe Akteure zurück.

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Grafik 1: Unterstützung durch externe Akteure

 

Politik oder bunte Bilder? – Themenmanagement in Sozialen Netzwerken


Aufgrund ihrer Themensetzung in sozialen Netzwerken lassen sich die Bundesländer in zwei etwa gleichgroße Gruppen teilen. Sieben Befragte geben an, dass vor allem zu politischen Themen berichtet und informiert wird. Ein Blick auf deren Facebook-Auftritte verrät jedoch, dass lediglich fünf Länder das auch umsetzen. Die anderen sechs Bundesländer teilen vor allem Bilder des Landes und Soft-News, mit dem Ziel, die Bürger stärker an ihr Bundesland zu binden und das Landesimage zu verbessern.

Laut dem von Mayntz und Scharpf (1995) begründeten akteurzentrierten Institutionalismus prägen die handelnden Akteure eigene Interessen und eine Identität auf Basis ihrer Ausbildungs- und Karriereverläufe aus. Demnach setzen Mitarbeiter mit politikwissenschaftlicher Ausbildung oder Berufserfahrung in politischer Kommunikation überwiegend auf politische Inhalte. Dazu merken jedoch einige Länder an, dass politische Themen von den Nutzern weniger gut angenommen werden, was dazu führt, dass ein Land aufgrund der enormen Kritik politische Themen nahezu meidet.

Zitat Interviewpartner zur politischen Nutzung der Facebookseite


 

 

Nutzungsgründe für Facebook



An oberster Stelle der Nutzungsgründe für Facebook steht die schnelle, direkte und ungefilterte Interaktion mit dem Bürger. Fünf der elf Länder schätzen die Möglichkeit, ohne Gatekeeper wie beispielsweise Journalisten mit der Bevölkerung kommunizieren zu können. Drei Länder nutzen Facebook direkt auf politische Kommunikation bezogen, indem sie durch gezielte Informationen die Bevölkerung mit der Arbeit und der Politik der Regierung sowie des Ministerpräsidenten vertraut machen möchten. Weiterhin könne Facebook auch als Frühwarnsystem genutzt werden, um durch Rückmeldungen frühzeitig Probleme zu identifizieren. Drei Länder sehen Facebook eher als eine Erweiterung ihres Internetauftrittes, um Nutzer für weiterführende Informationen auf die eigene Website zu lotsen.

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Grafik 2: Nutzungsgründe für Facebook

Ein weiterer wichtiger Nutzungsgrund stellt die zu erreichende Zielgruppe dar. Fünf der elf befragten Länder geben an, jüngere Menschen zu erreichen. Davon haben drei diese Zielgruppe im Vorfeld explizit festgelegt. Die anderen sechs Bundesländer versuchen, via Facebook die gesamte Bevölkerung ihres Landes zu erreichen. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen dürfe die Verwaltung in Ihrer Kommunikation niemanden ausgrenzen. Zum anderen gibt ein Bundesland zu, dass es schlicht keine Strategie und demnach auch keine festgelegte Zielgruppe für seine Social-Media-Kommunikation hat. 

Das Erreichen der Ziele und Zielgruppen wird auf unterschiedliche Weise evaluiert. Genutzt werden hierbei die Facebook-Analyse, die Interaktion auf der Seite und spezielle Monitoring-Tools. Die Gründe, weshalb einige Bundesländer keine Evaluation betreiben, sind verschieden. Zum einen liegt es an der fehlenden Strategie, zum anderen an restriktiven Datenschützer, der nicht erlaubt, zusätzliche Daten über Facebook zu erheben und auszuwerten.

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Grafik 3: Evaluationsmethoden für Facebook


In die Analyse flossen auch drei Länder, die zum Zeitpunkt der Untersuchung keinen Facebook-Kanal durch die Staatskanzlei betreuten, ein. Hier sind es vor allem Datenschutzproblematiken und dass eine 24/7-Betreuung der Seiten nicht sichergestellt werden kann, weshalb bisher gegen eine Nutzung des Netzwerkes entschieden wurde.


Facebook und Bürgerdialog – das Potenzial wird kaum genutzt


Facebook und Dialog gehören zusammen wie das Kreuzchen und der Wahlschein – denkt man. In fünf Bundesländern sind es vor allem die Mitarbeiter mit politikwissenschaftlicher Ausbildung, die über soziale Medien einen Bürgerdialog anstreben und die aktive Interaktion mit dem Nutzer als Selbstverständlichkeit ansehen. Schaut man jedoch auf deren Facebook-Seiten, setzen das nur zwei Länder auch wirklich um. Die Themen des Austausches sind sehr unterschiedlich – Politik des Landes, Allgemeines oder serviceorientierte Fragen. Andere Länder suchen zwar einen Dialog mit den Bürgern, jedoch nicht in sozialen Netzwerken. Die meisten der Interviewpartner sind sich dem Mangel an Dialog bewusst und einige fordern gar einheitliche Kommunikationsstandards für die gesamte Verwaltung. Dies erscheint sinnvoll, denn die meisten Länder besitzen keine einheitlichen Kommunikationskodizes oder Leitfäden für Social-Media. Vielmehr wird sich an allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen wie Datenschutz oder anderen informationspolitischen Regelungen orientiert.


Funktionen der Social-Media-Kommunikation für Behörden und Verwaltungen


Neben der durch das Bundesverfassungsgericht geregelten Informationsfunktion von Regierungskommunikation gibt es weitere Funktionen der Social-Media-Kommunikation. Die Interviewpartner betonen stets die Wichtigkeit der Informations- und Dialogfunktion, einige sehen auch deren transparenzfördernde Wirkung. Andere möchten mit Hilfe sozialer Medien das Image ihres Bundeslandes verbessern oder die Bevölkerung mit der Regierungsarbeit vertrauter machen. Dabei fußt das persönliche Berufsverständnis der meisten Befragten auf einer positiven Berichterstattung über ihr Land und dessen Regierung. Einige möchten mit ihrer Arbeit die Kommunikationsqualität zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern verbessern.


Fazit


Die Auswertung der Interviews und der Facebook-Seiten zeigt, dass einige Länder das Potenzial sozialer Medien für die Regierungskommunikation bereits sehr gut nutzen. Andere Bundesländer bewegen sich mit ihren Facebook-Aktivitäten, die politische Informationen in den Hintergrund drängen, auf einem schmalen Grad der durch das Bundesverfassungsgericht legitimierten Aufgaben der Regierungskommunikation. Demnach stellt sich die Frage, ob diese Kanäle tatsächlich von der Staatskanzlei als politische Leitzentrale eines Bundeslandes verantwortet werden sollten, oder ob die Aufgabe der Imageverbesserung nicht eher vom Landesmarketing etc. zu erfüllen sei. Außerdem muss Behörden und Verwaltungen auch in Zukunft bewusst sein, dass Dialog essentiell für die Nutzung von Social Media ist. Werde dies nicht gewünscht, sollte stattdessen über die Nutzung statischer Webseiten nachgedacht werden.


Anmerkung: Wie die Bundesländer (in den meisten Fällen die Staatskanzleien) auf Facebook kommunizieren, hat sich dieses kleine Blog vor einigen Wochen einmal genauer angeschaut. Die Analyse.


Literatur


Baumgartner, S. (2010). Die Regierungskommunikation der Schweizer Kantone: Regeln, Organisation, Akteure und Instrumente im Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage, Wiesbaden.
Heinze, J. (2012). Regierungskommunikation in Deutschland: Eine Analyse von Produktion und Rezeption. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Mayntz, R., & Scharpf, F. W. (1995). Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln: Bd. 23. Frankfurt, New York: Campus.
Tenscher, J. (2003). Professionalisierung der Politikvermittlung?: Politikvermittlungsexperten im Spannungsfeld von Politik und Massenmedien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag


Autorin 

Romy Kertzsch
Romy Kertzsch ist Absolventin des Masterstudienganges „Angewandte Medienforschung“ am Institut für Kommunikationswissenschaften der TU Dresden. In ihrer Masterarbeit unternahm sie eine qualitative Bestandsaufnahme der Facebook-Aktivitäten der Staatskanzleien. Dafür führte sie Telefoninterviews mit den Social-Media-Verantwortlichen der Bundesländer durch.

Kontakt: R.Kertzsch@gmx.de
Twitter:  @romypsilon












1 Kommentar:

  1. "Die Strategien der Staatskanzleien" offers an in-depth look at the political strategies and operational tactics of state chanceries. The book provides valuable insights into the inner workings of government, highlighting the decision-making processes and strategic planning involved. Its thorough analysis and case studies make it a compelling read for those interested in political science and public administration. Overall, it’s an enlightening resource on the complexities of governmental strategy.
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