Mittwoch, 4. Januar 2017

Die neue Offenheit – Wie die Digitalisierung die Interessenvertretung verändert

Dies ist ein Gastbeitrag von Jan Böttger (Managing Partner) und Daniel Enke (Director) von der Agentur 365 Sherpas - Corporate Affairs & Policy Advice. 365 Sherpas ist eine Berliner Agentur mit dem Schwerpunkt politisch-strategische Beratung für Unternehmen und Institutionen.

Logo 365 Sherpas - Corporate Affairs & Policy Advice
Das waren noch Zeiten: Kontakte wurden im Adressbuch aus Papier verwaltet, Dokumente kamen in aller Regel per Post, Computer waren zu schwer zum Herumtragen und das Mobiltelefon ein kleiner Koffer mit großer Antenne. Das war damals am Rhein. Heute an der Spree sieht die Sache anders aus. Computer passen in die Hosentasche, Nachrichten und Dokumente sind jederzeit mobil verfügbar und Kontakte werden in Datenbanken gepflegt. Die Digitalisierung hat das politische Berlin verändert – technologisch, aber auch kulturell.

Der Wandel drückt sich in der ungeheuren Beschleunigung politischer Debatten aus, der kommunikativen Schlagkraft auch kleinster Interessengruppen, in einer direkten politischen Auseinandersetzung nahezu ohne Gatekeeper und der Erwartung der digitalen Community nach eindeutigen Positionen. Auch hier gilt das alte Sprichwort: „Wer nicht am Tisch sitzt, steht auf der Speisekarte.“ Sind Unternehmen und Verbände nicht in der Lage, ihre Positionen digital auffindbar zu machen und die Inhalte der Logik der digitalen Welt anzupassen, findet ein wichtiger Teil der Debatte ohne sie statt. Daraus lassen sich fünf Ratschläge für die digitale Politikkommunikation ableiten:

1. Wer nicht auffindbar ist, existiert nicht.


Aktuelle Studien zeigen, dass die digitale Auffindbarkeit politischer Positionen im Internet für Interessenvertreter immer wichtiger wird. Eine Umfrage unter Büroleitern von Bundestagsabgeordneten hat ergeben, dass neun von zehn Büroleitern täglich Suchmaschinen für ihre Fachrecherchen nutzen. Wenn also Büroleiter für die nächste Rede ihrer Abgeordneten recherchieren oder ein Fachgespräch vorbereiten, sollten die Unternehmenspositionen im Suchmaschinenranking möglichst unter den ersten Treffern auftauchen. Es reicht also nicht, eine Website mit politischen Inhalten online zu stellen. Die eigenen Positionen müssen neben der Politik auch für die Suchmaschinen Relevanz haben. Darüber hinaus sollten einzelne Beiträge immer auch in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Schließlich sind 96 Prozent aller Bundestagsabgeordneten und deren Teams in sozialen Netzwerken aktiv.

Screenshot Jan Böttger
Tweets zu #digitalesDE













2. Nichts ist langweiliger als Einbahnstraßen-Kommunikation.


Klar ist, Sie wollen Ihre Positionen vermitteln. Doch einen ganzen Internetauftritt voller Lobhudeleien auf das eigene Unternehmen möchte niemand ein zweites Mal anklicken. Ordnen Sie Ihre Positionen in eine Debatte ein, lassen Sie andere Akteure zu Wort kommen, werden Sie zum Aggregator interessanter und relevanter Debattenbeiträge zu einem Thema. So tut es beispielsweise das Digitale Hauptstadtbüro der METRO GROUP. Im Stil eines Mediums interviewt das Konzernbüro regelmäßig politische und gesellschaftliche Akteure zu ihrer Sicht auf aktuelle Handelsthemen. Auch kritische Meinungen sind willkommen oder werden gar in einem Doppelinterview direkt gegenübergestellt. Zusätzlich werden auf der Website interessante Tweets rund um Handel und Ernährung durch das METRO GROUP Team kuratiert. So wird das Digitale Hauptstadtbüro zum Newsroom.

Screenshot Digitales Hauptstadtbüro
Doppelinterview Thorben Albrecht (BMAS) und Heiko Hutmacher (Metro AG) auf den Seiten der Metro AG


















 

3. Like & Share ergänzen Bild, BamS und Glotze.


Gerhard Schröder sagte einmal: „Zum Regieren brauche ich nur Bild, BamS und Glotze.“ Würde er heute noch regieren, wären Like & Share hinzugekommen. Denn es gilt: Gut ist, was schnell rezipierbar, teilbar, klickbar und zitierbar ist. So müssen komplexe politische Sachverhalte visuell durch Infografiken übersetzt oder per Videosequenz in Sekundenschnelle erklärt werden. So praktiziert es beispielsweise Telefónica Deutschland, in deren eigens geschaffener Eventlocation BASECAMP beinahe täglich Veranstaltungen rund um die digitale Transformation stattfinden – ob Netzpolitik, digitale Arbeitswelt, Handel 4.0 oder Shareconomy. Die besten Soundbites der Vorträge und Diskussionen werden über die sozialen Netzwerke geteilt. Vordefinierte Hashtags sorgen für die Auffindbarkeit der Inhalte. So wird die Debatte im Netz fortgeführt. Wer eine Veranstaltung verpasst hat, kann sich einzelne Zusammenschnitte auf YouTube ansehen. An dieser Stelle wird auch klar: Wer online erfolgreich sein will, braucht eine gute Verzahnung mit seinen Offline-Aktivitäten.

YouTube-Kanal UdL Digital


















4. Politik vertraut Menschen, keinen Portalen.


Alle medienadäquat aufbereiteten Inhalte nutzen nichts, wenn nicht klar wird, wer hinter ihnen steht. Denn der persönliche Kontakt ist noch immer das wichtigste Instrument der politischen Interessenvertretung. Das gilt auch für die digitale Kommunikation. Es sollte transparent sein, wer hinter einzelnen Posts in sozialen Netzwerken oder Artikeln auf der eigenen Website steht. Die METRO GROUP löst dies etwa, indem sich das Politik-Team namentlich mit Foto, Kontaktdaten und Werdegang auf dem Portal vorstellt – inklusive ihrer Aktivitäten in Ausschüssen von Verbänden und Ministerien. So können Politik, Wissenschaft, NGOs und Medien nachvollziehen, mit wem sie es zu tun haben. Und über die persönlichen Kontaktdaten ist die Verbindung schnell hergestellt.

Personenprofofil von Michael Wedell auf den Seiten des Digitalen Hauptstadtbüros der Metro AG


 

5. Wer sich exponiert, wird diskutiert.


Märkte sind Gespräche. So heißt es im Cluetrain Manifesto von 1999 – und gilt heute mehr denn je, gerade in der politischen Kommunikation. Denn wer sich mit Meinungen und Argumenten öffentlich nachvollziehbar in eine politische Debatte einschaltet, muss damit rechnen, auch kritisch diskutiert zu werden. In diesem Fall kommt es auf Reaktionsschnelligkeit und Sprachfähigkeit an. Und weil sich bis heute viele Unternehmen vor der Erteilung kommunikativer Prokura für ihre politischen Vertreter scheuen, verabschieden sie sich folgerichtig von der Idee der digitalen Politikkommunikation. Ein Gordischer Knoten, den zu zerschlagen es an der Zeit wäre.

Digitale Kommunikation im politischen Raum erfordert neben Fragen der Auffindbarkeit und Aufbereitung vor allem Schnelligkeit, Klarheit, Dialogbereitschaft und Kritikfähigkeit. Das klingt nach Plattitüden und erfordert doch ein deutliches Umdenken vieler Interessenvertreter in Unternehmen und Verbänden. So befördert der technologische Fortschritt eben auch einen kulturellen Wandel bei den Interessenvertretern.


Politikportale von Unternehmen


Webseite
Digitales Hauptstadtbüro der Metro Goup
METRO GROUP
 










Politikportal von Microsoft Deutschland
Microsoft













Politikportal der GEMA
GEMA










 

UdL Digital
Politikportal Telefónica Deutschland
Telefónica Deutschland










  

Politikportal Union Investment
Union Investment













 
Screenshot
politikLounge TUI Group
TUI Group
http://www.tui-politiklounge.com








 


Detaillierte Beschreibungen der konzeptionellen Ansätze und Instrumente der (digitalen) Hauptstadtrepräsentanzen von METRO GROUP, Microsoft und Telefónica finden Sie auf dem Blog der 365 Sherpas.


Autoren

Jan Böttger

365 Sherpas
Jan Böttger
Jan Böttger ist Managing Partner bei 365 Sherpas - Corporate Affairs & Policy Advice. Sein Schwerpunkt liegt in der strategischen Corporate Affairs-Beratung national und international agierender Unternehmen. In diesem Feld berät er Geschäftsführungen und Kommunikationsleiter in Fragen der Unternehmenspositionierung (Public Affairs, Reputation Building, Corporate Responsibility) sowie des Issues- & Stakeholdermanagements im (gesellschafts-)politischen Umfeld.

Auf Twitter: @JanBoettger

Daniel Enke

365 Sherpas
Daniel Enke
Daniel Enke ist Director bei 365 Sherpas - Corporate Affairs & Policy Advice. Sein Schwerpunkt liegt in der strategischen Kommunikationsberatung von Unternehmen und Verbänden – nach innen wie außen, gegenüber Politik und Öffentlichkeit, digital und analog.






Auf Twitter: @danielenke




4 Kommentare:

  1. I like.

    Jetzt würde mich noch Eure Einschätzung zu "Risiken" und "Verhätnis Aufwand/Ertrag" interessieren.

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    1. Lieber Sebastian,

      mit dem Bedeutungsverlust, den der gemeine Shitstorm in jüngster Zeit erfahren hat, sind aus unserer Sicht auch die Risiken eines digitalen PA-Engagements gesunken. Wenn man so will, kann jedoch die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Positionen ein kommunikatives „Risiko“ darstellen, das wir mit der These „Wer sich exponiert, wird diskutiert“ beschrieben haben. Um solche Diskurse angemessen zu gestalten, bedarf es Reaktionsschnelligkeit und Sprachfähigkeit. Beides ist für viele Unternehmen und Verbände immer noch eine Herausforderung. Insofern gilt: (1) Wer sich nichts traut, sollte ein digitales Engagement noch einmal überdenken. (2) Wer nichts zu sagen hat, sollte besser nichts sagen. (3) Wer sich intern langwierig abstimmen muss, sollte von digitaler Kommunikation die Finger lassen. Statt die Hände in den Schoß zu legen, hielten wir es allerdings für zielführender, wenn Unternehmen und Verbände sich mit ihrer Kommunikationsstruktur und -kultur auf die Anforderungen des Jahres 2017 einstellen.

      Damit wären wir bei der Frage zum Verhältnis Aufwand-Ertrag: Bei guter PA-Arbeit liegen relevante Inhalte idealerweise vor. Digitale Interessenvertretung kann demnach aus dem Vollen schöpfen. Zusätzliche Aufwände entstehen also durch redaktionelle Aufbereitung und technische Darstellung – digitale Grundkompetenz vorausgesetzt. Sinnvoll in die Arbeitsabläufe integriert, sollte das heute keine kapazitäre Hürde mehr darstellen. Der Ertrag liegt in der sinnvollen Ergänzung des Instrumentenkastens der Interessenvertretung: Reputation durch gesteigerte Transparenz, Sichtbarkeit durch Auffindbarkeit und Positionierung, digitale Einbindung von und Gesprächsanlässe zu Stakeholdern, gesteigerte Innenwirkung bei großen Organisationen und vieles mehr. Es gibt nicht den einen großen Effekt, sondern viele kleine. Die lohnen sich aber aus unserer Sicht.

      Beste Grüße,
      Daniel und Jan

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    2. Liebe Sherpas, vielen vielen Dank. Ich werde Euch zitieren und dazusagen, von wem es ist. Rock on, Seb

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  2. This is an insightful post. Digitization is indeed changing the way we represent ourselves and our identities, whether that be through social media, online media, or other digital platforms.

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