Mittwoch, 25. Juni 2014

Social Media im Bundestag: Gefällt mir nicht

Ein Blog goes Papier. Im Magazin "politik & kommunikation" gibts meine Postings auch als Kolumne und auf Totholz. In meiner achten Kolumne  in der Ausgabe Juni/Juli 2014 habe ich mir die Bundestagsabgeordneten ohne Social-Media-Aktivitäten einmal genauer angeschaut.

Hier das Blog-Crossposting dieser Kolumne.

Noch nie war so viel Social Media im Deutschen Bundestag, wie in der 18. Legislaturperiode: Mehr als 95 Prozent der Abgeordneten nutzen mindestens ein soziales Netzwerk für ihren Dialog mit dem Bürger. Unter den 631 Parlamentariern gibt es aber 29, die weder Facebook, Twitter, Google+ oder YouTube nutzen.

Das wirkt heute fast schon anachronistisch. Mich interessiert: Wer nutzt die Netzwerke nicht und warum?

 

Die Nichtnutzer


Außer bei den Grünen, die kleinste Bundestagsfraktion, gibt es in jeder Fraktion Nichtnutzer. Bei den Linken einen, bei der SPD fünf und in der Unionsfraktion 23. Damit ist die Gruppe der Nichtnutzer mit 7,4 Prozent bei der CDU/CSU am größten, gefolgt vom Koalitionspartner SPD (2,6 Prozent) und der Linksfraktion (1,5 Prozent). Betrachtet man den gesamten Bundestag, gibt es aktuell 4,6 Prozent Nichtnutzer.

Durchschnitt: männlich, 57 Jahre alt, Michael Groß (SPD)
Das Durchschnittsalter der Web 2.0-Abstinenzler liegt bei 57,5 Jahren. Damit sind die Nichtnutzer deutlicher älter als der Bundestagsschnitt, der bei der Wahl im September 2013 bei knapp 50 Jahren lag. Nur einer ist jünger als 40, nur einer jünger als 50 Jahre. Prozentual entscheiden sich mehr Männer gegen Social Media: 69 Prozent sind männlich, im Bundestag liegt der Männeranteil bei derzeit 63 Prozent.  

Viele der Nichtnutzer sind zudem „alte Hasen“ im Parlament: Durchschnittlich sind sie seit mindestens vier Wahlperioden Mitglied des Bundestages. Interessanterweise befinden sich nur drei Bundestagsneulinge unter den Nichtnutzern; somit nutzen nur 1,3 Prozent der 231 neuen Mitglieder keine sozialen Medien. Für Neuparlamentarier scheinen diese Kommunikationskanäle heute zum Standard zu gehören. 

Webseite Minister Dr. Thomas de Maizière (CDU), MdB
Ein Blick auf die Funktionen der Abgeordneten zeigt außerdem, dass überdurchschnittlich viele wichtige Politiker abstinent sind: So gehören zur Gruppe zwei Bundesminister, zwei Staatsekretäre, eine Staatsministerin, mehrere Ex-Minister und Staatsekretäre, Fraktions- und Gruppenvorsitzende sowie Ausschussvorsitzende.



Die meisten Verweigerer kommen aus den Flächenländern NRW (neun), Bayern und Baden-Württemberg (jeweils fünf). In sechs (meist kleineren) Bundesländern nutzen alle Bundestagsabgeordneten Social Media. 

Demnach lässt sich der durchschnittliche Nichtnutzer in folgenden Stichworten zusammenfassen: älter, männlich, ländlicher Wahlkreis, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, Inhaber eines wichtigen politischen Amtes und seit mehreren Legislaturperioden Mitglied des Deutschen Bundestages. 

Die Motive 


Für die Nichtnutzung nannten mir die Abgeordneten drei Hauptmotive:

Kein Zeit: Für die authentische und persönliche Nutzung der Netzwerke fehlt vielen Politikern schlicht die Zeit. Aus diesem Grund haben sie sich gegen diese Kanäle entschieden. Das ist gerade bei Spitzenpolitikern nachvollziehbar und begrüßenswert – gerade mit Blick auf die vielen schlecht gepflegten Profile unter den Abgeordneten. 

Datenschutz: Einige der Nichtnutzer führen Daten- und Verbraucherschutzaspekte für ihre Entscheidung an. Ich finde es konsequent, die Abstinenz mit der eigenen politischen Position gegenüber dem Geschäftsmodell der Netzwerke zu begründen, zudem unterstreichen Politiker so die eigene Position mit konkretem politischem Handeln.   

Dialogkultur: Bei einzelnen Abgeordneten zeigten sich allerdings auch starke Kommunikationsdefizite: Sie wollten über ihr Kommunikationsverhalten keine Auskunft geben und lehnten ein Interview oder Statement zu diesem Thema ab – oder antworteten gar nicht erst auf meine Anfrage. Gelebter Dialog sieht anders aus.   

Twitter-Fakeaccount Ronald Pofalla (CDU)
Im Gegensatz zu den ersten beiden Gründen kann ich dieses Verhalten nicht nachvollziehen. Zur Politik gehört auch, Politik zu vermitteln. Das ist heute sogar fast genauso wichtig, wie Politik zu gestalten. Denn Politik ist nichts wert, wenn Politiker nicht bereit sind, mit Bürgern zu kommunizieren.

Besonders skurril ist dabei: Bei vielen Dialogverweigerern gibt es eine große Nachfrage im Web 2.0. So gefällt mehr als 7000 Menschen der von Facebook erstellte Standard-Eintrag von Wolfgang Bosbach (CDU), Ronald Pofalla (CDU) besitzt – ungewollt – mehrere aktive inoffizielle Twitter-Accounts, unzählige Fragen bei abgeordnetenwatch.de warten auf eine Antwort.   








Fazit


Politiker müssen Social Media nicht nutzen. Es gibt gute und nachvollziehbare Gründe, die im Einzelfall dagegen sprechen. Kein guter Grund ist es allerdings, wenn ein Politiker es für irrelevant hält, mit Bürgern zu kommunizieren.

Ich habe überhaupt kein Verständnis für Politiker, die die Kommunikation mit dem Volk vernachlässigen und z.B. auch acht Monate nach der Wahl noch immer keine eigene Webseite besitzen.  


Die Kolumne gibt es in einer gekürzten und inhaltlich etwas veränderten Form auch auf den Webseiten von "politik & kommunikation". Hier. 

Mittwoch, 18. Juni 2014

Wie Social Media sind die Europaabgeordneten?

Europa hat gewählt. In Deutschland wurden Kandidaten von 14 verschiedenen Parteien ins neue Europaparlament gewählt. In der vergangenen Legislatur saßen da noch 99 deutsche Vertreter aus sechs Parteien.

Logo Europäisches Parlament
Von den 96 Parlamentariern sind 31 neu gewählt. Gut jeder dritte Abgeordnete ist somit neu dabei, zwei Drittel saßen bereits in Brüssel und Straßburg. Von den 31 Neuen entfallen 14 auf die acht neuen Parteien im Europaparlament. Bei der CDU gibt es vier, bei der SPD zehn, bei den Grünen zwei und bei der LINKE einen neuen Abgeordneten. CSU und FDP sitzen zukünftig mit bekanntem Personal im Parlament.  

Wie hat sich die Nutzung von Social Media durch diesen Austausch zum Beginn der neuen Legislatur verändert? 

Ich habe mit Hilfe des Social-Media-Analyse-Portals Pluragraph.de wieder nachgezählt und präsentiere einige Daten zur Nutzung von sozialen Netzwerken unter den Abgeordneten.

Dies ist ein rein quantitativer Überblick. Stand ist der 18. Juni 2014.   

95,8 Prozent der Europaabgeordneten nutzen Social Media


Erste zentrale Erkenntnis: Insgesamt haben nun 92 Parlamentarier mindestens ein Profil in einem der großen sozialen Netzwerke Facebook, Twitter, Youtube, Flickr, Google+, XING, myspace, LinkedIn, Vimeo, Foursquare oder Pinterest. Dies entspricht einer Steigerung von 1,8 Prozent im Vergleich zu den Daten vom Januar 2014. Nur noch etwas über 5 Prozent aller Parlamentarier (5 Abgeordnete) verzichten komplett auf die Nutzung des "Internet der Menschen".

Balkendiagramm
Social-Media-Nutzung von Europaabgeordneten - Stand Januar 2014, Quelle Pluragraph.de/statista.com




 

Social-Media-Nutzung nach Netzwerken


In allen Fraktionen bzw. unter den deutschen Einzelmitgliedern ist Social Media weit verbreitet, in allen deutschen Europagruppen innerhalb der Fraktionen gibt es mehr als 94% Social-Media-Nutzer.

Wie beliebt sind die einzelnen Netzwerke?

Facebook


Weiße Schrift auf blauem Hintergrund
90 der 96 Abgeordneten haben ein eigenes Facebookprofil.
94 Pozent der Europaabgeordneten sind bei Facebook angemeldet.
Dies entspricht einer Steigerung von 13 Prozentpunkten. 

51 von 96 Abgeordenten nutzen ein persönliches Profil.
53,1 Prozent der Europaabgeordneten kommunizieren über private Profile. 

68 von 96 Abgeordneten haben eine Fanseite.
70,8 Prozent der Europaabgeordneten haben sich für die Nutzung einer Fanseite entschieden.
Dies entspricht einer Steigerung von 20,8 Prozentpunkten.

Im Durchschnitt hat jeder deutsche MEP 5689 Fans. (Die Spanne liegt dabei zwischen 14 und 132.000 Fans)

Einen Überblick über alle Facebook-Fanseiten der Europaabgeordneten liefert das Social-Media-Analyse-Portal Pluragraph.de hier. 

Zudem habe ich eine abonnierbare Liste mit allen Facebookprofilen der Abgeordneten angelegt. Mit einem Klick kann man die Postings aller MEP in seinen Newsfeed holen.

Die meisten Fanseiten gibts unter den Abgeordneten der SPD (85,2 Prozent) und der Grünen (72,7 Prozent), die wenigsten unter den sieben Parlamentariern von Die LINKE (28,6 Prozent). 


Twitter


64 der 96 Abgeordneten haben einen eigenen Twitter-Account.
Dies entspricht 66,7 % der Europaabgeordneten.
Dies entspricht einer Steigerung von 7,7 Prozentpunkten.

Im Durchschnitt hat jeder deutsche MEP 3966 Follower. (Die Spanne liegt dabei zwischen 0 und 112.000 Followern)

Einen Überblick über alle Twitter-Accounts der Europaabgeordneten liefert das Social-Media-Analyse-Portal Pluragraph.de hier.   

Die meisten Twittter-Accounts gibts unter den FDP-Abgeordneten (100 Prozent) und bei den Grünen (81,2 Prozent), die wenigsten bei den Parlamentariern von CDU und CSU (55,9 Prozent). 

Für alle die den deutschen MEP mit einem Klick auf Twitter folgen wollen, habe ich auch einmal eine Twitter-Liste erstellt in der alle 63 Accounts zu finden sind. Diese Liste kann man abbonieren.

YouTube

Logo YouTube


51 der 96 Abgeordneten haben einen eigenen YouTube-Account.
Dies entspricht 53,1 Prozent der Europaabgeordneten.
Dies entspricht einem Rückgang von 7,9 Prozentpunkten. 




XING


Logo XING19 der 96 Abgeordneten haben ein XING-Profil.
Dies entspricht 19,8 Prozent der Europaabgeordneten.






Google+ 


Logo Google+
32 der 96 Abgeordneten haben ein Google+ Profil und/oder eine Google+-Seite.
Dies entspricht 33,3 Prozent der Europaabgeordneten.
Dies ist eine Steigerung von 9,3 Prozentpunkten.

Und hier gibts alle Europaabgeordneten in einem Google+-Circle.

Neben den hier aufgeführten meist genutzten Netzwerken besitzen einige Mitglieder des Europaparlements zudem Accounts in folgenden weiteren sozialen Netzwerken: Flickr, Pinterest, LinkedIn und myspace. Aufgrund der geringen Nutzerzahlen verzichte ich aber auf eine Darstellung dieser Netzwerke.

Diese Zahlen sagen nichts, aber auch rein gar nichts über die Qualität der Nutzung aus. Aus qualitativen Analysen wissen wir, dass nur die allerwenigsten der Europaabgeordneten die Netzwerke wirklich gut und erfolgreich nutzen. Dies bestätigt auch die Analyse von Dr. Götz Frommholz, der dier wahlkämpfenden Kandidaten zur Europawahl und ihre Online-Aktivitäten untersucht hat.

Zudem bin ich gespannt, wie sich die Nutzung in den kommenden fünf Jahren entwicklen wird, sowohl bei den Kandidaten als auch bei den Accounts der Fraktionen bzw. GruppenDenn das größte Potential der sozialen Netzwerke liegt gerade in der kontinuierlichen Kommunikation zwischen den Wahlen!   

Und noch ein Lesehinweis zum Schluß: Für die Bundeszentrale für politische Bildung habe ich gemeinsam mit Anne Laumen die Social-Media-Aktivitäten der deutschen Parlamentarier im beginnenden Europawahlkampf 2014 analysiert: #EP2014 - Europawahlkampf im Netz




Dienstag, 10. Juni 2014

Twitter in der Politik: Die Hashtags der Landesparlamente

Ich werde oft von Politikern und politischen Insitutionen gefragt: Wie kann ich eigentlich meine Reichweite in Social Media erhöhen? Eine meiner Standardantworteten lautet dann: Benutzen Sie Hashtags. Nachdem ich dann die Angst genommen habe, dass man sich damit eventuell strafbar macht, klappt das dann auch meistens ganz gut.

Hashtags Adelaide
Analoge Hashtags in Adelaide
Über die Verwendung von Hashtags in der Politik und deren Vorteile haben in den vergangenen Wochen bereits Tabea Wilke und Frank Bergmann gebloggt. Beide Postings sind sehr lesenswert

Oftmals gibt es bereits etablierte Hashtags für bestimmte Politikfelder, Themen oder Parlamente. In einigen Fällen existieren diese noch nicht. Insbesondere auf Landes- und Kommunalebene gibt es da noch einige weiße Flecken.

Aus diesem Grund habe ich in den letzten Wochen die Tweets und Postings aus den
16 deutschen Landtagen beobachtet und in den Fällen in denen kein allgemein verwendetes Hashtag existierte, einfach selber eines definiert und mit den Landtagsfraktionen abgestimmt. Nun haben alle deutschen Landesparlamente einen eigenen Hashtag ;)

Ich freue mch diese nun präsentieren zu können. Voila! 

Die Hashtags der Landtage

 

Abgeordnetenhaus von Berlin

 

 





Der Hashtag: #agh 
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Abgeordnetenhauses.
Social-Media-Profile des Berliner Abgeordnetenhauses  

 

Landtag von Baden-Württemberg

 







Der Hashtag: #ltbw
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtages von Baden-Württemberg.
Social-Media-Profile des Landtages von Baden-Württemberg. 

 

Bayerischer Landtag 

 









Der Hashtag: #ltby
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Bayerischen Landtages.
Social-Media-Profile des Bayerischen Landtages. 

 

 

Landtag Brandenburg 

 







Der Hashtag: #ltbb
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtages Brandenburg.
Social-Media-Profile des Landtages Brandenburg. 

 

Bremische Bürgerschaft 

 








Der Hashtag: #hbbue
Die Liste aller twitternden Abgeordneten Bremischen Bürgerschaft.
Social-Media-Profile der Bremischen Bürgerschaft. 


Hamburgische Bürgerschaft 

 





Der Hashtag: #hhbue
Die Liste aller twitternden Abgeordneten Hamburgischen Bürgerschaft.
Social-Media-Profile der Hamburgischen Bürgerschaft.


Hessischer Landtag 

 

 









Der Hashtag: #hlt
Die Liste aller twitternden Abgeordneten der Hessischen Landtages.
Social-Media-Profile der Hessischen Landtages.


Niedersächsischer Landtag 

 












Der Hashtag: #ltnds
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages.
Social-Media-Profile des Niedersächsischen Landtages.


Landtag NRW 

 











Der Hashtag: #ltnrw
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtages NRW.
Social-Media-Profile des Landtages NRW.


Landtag Mecklenburg-Vorpommern

 








Der Hashtag: #ltmv
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern.
Social-Media-Profile des Landtages Mecklenburg-Vorpommern.


Landtag Rheinland-Pfalz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Hashtag: #ltrlp
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtages Rheinland-Pfalz.
Social-Media-Profile des Landtages Rheinland-Pfalz.


Landtag des Saarlandes  

 










Der Hashtag: #ltsaar
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtag des Saarlandes.
Social-Media-Profile des Landtag des Saarlandes.


Sächsischer Landtag  

 








Der Hashtag: #saxlt
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Sächsischen Landtages.
Social-Media-Profile des Sächsischen Landtages.


Landtag von Sachsen-Anhalt

 











Der Hashtag: #ltlsa
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtages von Sachsen-Anhalt.
Social-Media-Profile des Landtages von Sachsen-Anhalt.


Landtag Schleswig-Holstein

 

 





Der Hashtag: #ltsh
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Landtages Schleswig-Holstein.
Social-Media-Profile des Landtages Schleswig-Holstein.


Thüringer Landtag 

 







Der Hashtag: #plenumth
Die Liste aller twitternden Abgeordneten des Thüringer Landtages.
Social-Media-Profile des Thüringer Landtages.


Ich würde mich sehr freuen, wenn die Abgeordneten, die Fraktionen, Journalisten und natürlich die interessierten Bürger diese nun auch verwenden, damit politische Diskussionen, Informationen und Relevantes rund um die Landtage einfacher auffindbar wird und mit Hilfe der Hashtags dokumentierbar wird. 

Für alle Twitter-Neulinge in der Politik hat Twitter einen Leitfaden zusammengestellt. Frank Bergmann, Leiter Onlinekommunikation der CDU/CSU-Fraktion und die ehemalige Social-Media-Referentin der SPD Teresa Bücker geben ebenfalls wertvolle Tipps.

 

Auf gehts!



Fotonachweise:

Hashtags: Michael Coghlan from Adelaide, Australia (Lots of HashUploaded by tm) [CC-BY-SA-2.0 ], via Wikimedia Commons.

Montag, 2. Juni 2014

Der Europawahlkampf im Netz: Veraltete Webseites, inaktuelle Social-Media-Profile und fehlende Interaktion

Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Götz Harald Frommholz. Er leitet den gemeinnützigen, unabhängigen und überparteilichen Think Tank d|part, der sich mit der Erforschung und Förderung politischer Partizipation auseinandersetzt.

Eine qualitative Analyse des Onlinewahlkampfs zur Europawahl 2014


blau auf weiß
Logo d|part
Diese Europawahl war richtungweisend. Zwei Aspekte waren von besonderer Bedeutung: Es gab erstmals europaweite Spitzenkandidaten und die kleinen Parteien konnten sich über den Wegfall der Dreiprozenthürde freuen. Diese beiden Faktoren allein waren schon ein Grund für uns, unsere Bundestagsstudie, in der wir den Onlinewahlkampf von 156 Bundestagskandidatinnen und -kandidaten beobachtet haben, für die Europawahl erneut aufzulegen (Frommholz and Hübner 2013). Im Fall 'Europa' haben wir den Onlinewahlkampf anhand einer Zufallsstichprobe von 125 Kandidaten untersucht. Da es bei dieser Wahl keine Wahlkreise gab, haben wir uns auf die Zufallstreffer der Wahlliste beschränkt. Unsere Stichprobe verteilt sich auf 25 Parteien mit je 5 Kandidaten. Zusätzlich haben wir zufällig, nicht-kontinuierlich einzelne Kandidatinnen und Kandidaten beobachtet und analysiert. 


Wie schnell zu erkennen ist, handelt es sich bei dieser Studie nicht um eine repräsentative Erhebung. Viel mehr ist sie eine qualitative Onlineanalyse, die Indikatoren für das Wahlkampfverhalten im Internet aufzeigt. Ich werde mich deshalb auf den qualitativen Aspekt der Ergebnisse beschränken und hier vorab der Fertigstellung des Forschungsberichts einige zentrale Beobachtungen vorstellen.

Quelle: bpp.de Die Beteiligungsprognosen für die Europawahl sahen denkbar schlecht aus und man konnte schon befürchten, dass das historische Beteiligungstief für Deutschland von 43,3% im Jahr 2009 weiter unterboten werden könnte. Somit war es interessant, zu beobachten, inwiefern die oben genannten Faktoren sowie die vielerorts parallel stattfindenden Kommunalwahlen die Menschen für die Wahl mobilisieren. Mit einer Wahlbeteiligung von 48,1% der Deutschen wurde ein größeres Legitimitätsdebakel zwar verhindert, doch können wir festhalten, dass die drei Faktoren (Spitzenkandidaten, 3 Prozent-Hürde, Kommunalwahlen) nicht zu einer maßgeblichen Mobilisierung der Nicht-Wähler in Deutschland beitragen konnten. Europa scheint für die Bürgerinnen und Bürger einfach zu weit weg und zu abstrakt.

Der Wahlkampf der Parteien konnte die Menschen offenbar nicht begeistern. Wenn man sich das Onlineverhalten der Kandidatinnen und Kandidaten anschaut, dann ist das recht gut nachvollziehbar. 

Das Internet entwickelt sich zur zentralen Informationsquelle, wird zukünftig die Basis für die politische Kommunikation sein und dient unter anderem der Wählermobilisierung (bspw. Dolata and Schrape 2014; Vonbun and Schönbach 2014; Voss 2014; Vowe 2014). Bei der Untersuchung der Europawahl konnten wir feststellen, dass die Qualität der Internetauftritte - mit Ausnahme der Spitzenkandidaten und einiger Einzelner - recht niedrig gewesen ist. Dass das Internet bei dieser Europawahl kein Erfolgsfaktor gewesen sein kann, wird noch deutlicher, wenn man sich die Webseiten der gewählten MdEP anschaut. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und alle 96 der in Deutschland gewählten Parlamentsmitglieder angeschaut. Auch hier ist das Ergebnis ernüchternd.

Thüringer Europaabgeordneter
Webseite von MEP Dr. Dieter L. Koch (CDU)
Viele Homepages machen einen veralteten Eindruck. Neue etablierte Technologien wie 'Responsive Design' sind nicht zu sehen. Die Integration sozialer Netzwerke und partizipativer Funktionen geschieht selten. Die Grünen-Abgeordneten machen noch den frischesten Eindruck. Auch die MdEP der CSU präsentieren sich mit überwiegend guten Webseiten. Die SPD ist generell besser aufgestellt als die CDU. Die kleinen Parteien fallen besonders schlecht auf: Abgesehen von den Piraten, nutzen ihre Kandidaten die Möglichkeiten des Internets wenig bis gar nicht. Auch der Erfolg der AfD ist sicher nicht auf einen besonders guten Internetwahlkampf zurückzuführen. Zum Beispiel besitzt Spitzenkandidat Bernd Lucke keine eigene Homepage und ist nur auf Twitter und Facebook unterwegs. Lediglich auf der Parteiseite gibt es ein Profil.

Facebookseite MEP Kerstin Westphal (SPD)
Zugegebenermaßen sind Kandidatenhomepages im Zeitalter der sozialen Netzwerke sicher nicht das einzige Kriterium für einen guten Internetwahlkampf. Ein Großteil der Kandidaten, Kandidatinnen und MdEP besitzen neben einer Homepage auch Konten für soziale Netzwerke. Hier konnten wir ähnliche Beobachtungen wie zur Bundestagswahl 2013 machen: Die Quantität der Konten der sozialen Medien sagt nichts über die Qualität der Betreuung aus. Facebook, Twitter und Co werden meist als digitale Litfaßsäule genutzt, auf denen Wahlplakate und Slogans gepostet werden. Der interaktive und partizipative Charakter sozialer Medien wird selten genutzt. 

Der direkte Kontakt zum Wähler/zur Wählerin kommt nicht zu Stande. Damit sehen wir die Beobachtungen von Andreas Elter (2013) bestätigt, dass Parteien es oft nicht über soziale Netzwerke schaffen, einen konstanten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern herzustellen. Das hat mindestens zwei Gründe: Es fehlt die Interaktion wegen mangelnder Kommunikation oder nicht aktivierter Kommentarfunktionen. Andererseits müssen soziale Netzwerke auch gepflegt werden. Es fiel immer wieder auf, dass Kandidatinnen und Kandidaten zwar Twitter, Youtube, Google+ oder Facebook auf ihren Webseiten verlinken, diese Konten aber verwaist sind. So ist es durchaus vorgekommen, dass das letzte Video auf dem eigenen Youtube-Kanal 2013 hochgeladen oder der letzte Post auf Google+ 2012 erfolgte. 

Mein Tipp: Es machte einen schlechteren Eindruck, ungepflegte Konten in den sozialen Medien zu haben als keine zu besitzen. 


Fazit


Der Onlinewahlkampf und die Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern war auch bei der Europawahl dürftig und hat sich in dieser Hinsicht von dem generell langweiligen Wahlkampf nicht unterschieden. Besonders die kleinen Parteien jenseits von Union und SPD haben das Potential des Internets qualitativ nicht genutzt. Die sozialen Netzwerke wurden in ihren Funktionen nicht voll ausgeschöpft und eine Interaktion mit den Wählerinnen und Wählern fand kaum statt. Unter diesen Gesichtspunkten hat sich das Onlineverhalten bei der Europawahl 2014 kaum von der Bundestagswahl 2013 unterschieden. Qualitativ gibt es noch viel Luft nach oben.


Literatur:

Dolata, U. and Schrape, J.-F. 2014 'Kollektives Handeln im Internet. Eine akteurtheoretische Fundierung', Berliner Journal für Soziologie 24(1): 5-30. 
Elter, A. 2013 'Interaktion und Dialog? Eine quantitative Inhaltsanalyse der Aktivitäten deutscher Parteien bei Twitter und Facebook während der Landtagswahlkämpfe 2011', Publizistik 58(2): 201-220. 
Frommholz, G. H. and Hübner, C. 2013 Wahlkampf im Internet: Wie Kandidaten das Netz nutzen - Eine Studie zur Internetpräsenz der Direktkandidaten zur Bundestagswahl 2013, Berlin: d|part. 
Vonbun, R. and Schönbach, K. 2014 'Wer ist politisch aktiv im Social Web?', Publizistik: 1-14. 
Voss, K. 2014 'Internet & Partizipation – Einleitung', in K. Voss (ed) Internet und Partizipation: Springer Fachmedien Wiesbaden. 
Vowe, G. 2014 'Digital Citizens und Schweigende Mehrheit: Wie verändert sich die politische Beteiligung der Bürger durch das Internet? Ergebnisse einer kommunikationswissenschaftlichen Langzeitstudie', in K. Voss (ed) Internet und Partizipation: Springer Fachmedien Wiesbaden.



Autor:

Dr. Götz Harald Frommholz
Dr. Götz Harald Frommholz promovierte im Fach Soziologie an der University of Edinburgh und leitet heute den gemeinnützigen, unabhängigen und überparteilichen Think Tank d|part, der sich mit der Erforschung und Förderung politischer Partizipation auseinandersetzt. Außerdem ist er Dozent an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Als Forscher interessiert sich Götz Frommholz besonders für die Analyse von Motiven und Hemmschwellen politischer Partizipation.