Mittwoch, 30. Januar 2013

Abgeordnete müssen Journalisten werden


Bild Plenarsaar Hamburgische Bürgerschaft
Sitzungssaal Hamburgische Bürgerschaft © http://www.anne-krischok.de/
Dass die Hamburgische Bürgerschaft nicht zu den Vorreitern der digitalen Revolution gehört, hatte ich bereits mehrfach im Blog erwähnt. Immerhin darf man unter anderem auf Initiative dieses Blogs seit vergangenem Jahr nun auch aus dem Parlament heraus twittern und Abgeordnete dürfen auch aus dem Plenarsaal Facebookbeiträge schreiben, Kollegen fotografieren, Fotos vom Plenarsaal machen und diese veröffentlichen...Stopp! 


Da war ich wohl zu schnell. 

Denn in der Hausordnung der Hamburgischen Bürgerschaft, zuletzt geändert am 21. Juni 2012 heißt es in § 5 Absatz 2:


§ 5 der Hausordnung der Hamburgischen Bürgerschaft als Screenshot









Also nur wer einen Presseausweis besitzt, sich Fotojournalist nennt, sich bei der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft ordnungsgemäß akkreditiert hat und dann den Ausweis mit der Fotogenehmigung sichtbar trägt, ist berechtigt Fotos im Plenarsaal zu machen.

Aktuell sind mir nur Kersten Artus (Die LINKE.) und Daniel Gritz (SPD) als Journalisten und Bürgerschaftsabgeordnete bekannt. Bedeutet also das 119 der 121 Abgeordneten wohl nie eine einziges Foto aus dem Parlament machen können, in das sie von den Hamburgern gewählt wurden.

Für sie gilt:

Schild: Foto-Verbot Und was passiert, wenn sich ein Abgeordneter dagegen widersetzt und während einer Plenarsitzung das Plenum oder den aktuellen Redner illegal fotografiert? 

Sie erhalten entweder eine Rüge von der Präsidentin oder sogar einen Ordnungsruf, der aber bisher nicht mit weiteren Konsequenzen für die Abgeordneten verbunden war. Als härteste Sanktion kann die Bürgerschaftspräsidentin den Abgeordneten von der aktuellen und von maximal drei zukünftigen Sitzungen ausschließen. (§ 48 (2) Geschäftsordnung der Bürgerschaft)   

In einem mir bekannten Fall forderte die Präsidentin den Abgeordneten zudem auf, das Facebook-Posting wieder zu löschen. Dieser Aufforderung kam der Parlamentarier nach eigener Aussage aber nicht nach.



Zum Vergleich: Im Deutschen Bundestag gibt es kein Fotografierverbot der Abgeordneten. Dies ist grundsätzlich "von den dazu ausgewiesenen Plätzen aus" erlaubt. (§ 6 (2) Hausordnung des Deutschen Bundestages)

Groteske Situation.

Die Hausordnung zwingt also die gewählten Mitglieder des Parlaments dazu, sich als Journalisten zu akkreditieren, damit diese über ihre eigene Arbeit aus dem Parlament berichten dürfen.

Dies ist um so merkwürdiger, da Externe wie zum Beispiel Journalisten diese Erlaubnis problemlos erhalten, und die Sitzungen der Bürgerschaft seit Jahren im Livestream übertragen werden. Es gibt also bereits Livebilder aus der Bürgerschaft. Nur eben nicht von den gewählten Volksvertretern.  

Einen ersten Versuch sich als Journalist zu akkreditieren, startete nun der medienpolitische Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion Farid Müller. In einem Brief an die Präsidentin beantragte er die Akkreditierung als Fotograf. Zudem regte er im Schreiben die grundsätzliche Entwicklung eines Social-Media-Verhaltenskodexes für die Hamburgische Bürgerschaft an.

Dazu ein Sprecher der Bürgerschaftskanzlei:

"Die Fraktionen sind übereingekommen, dass Abgeordnete im Plenarsaal nicht fotografieren. Sie haben eine entsprechende Hausordnung in der Bürgerschaft beschlossen". 

Da ich von einigen Abgeordneten persönlich weiß, dass sie gerne aktuell Fotos aus dem Plenum veröffentlichen wollen, steht wohl der Bürgerschaft die nächste Änderung der Hausordnung bevor. Mal schauen wie viele es bis 2015 noch gibt? 

Nachtrag: Direkt vor und auch nach einer Bürgerschaftssitzung sind Fotos aus dem Plenarsaal erlaubt, jedenfalls hat dies Kersten Artus (Die LINKE.) bei der letzten Sitzung erfolgreich gewagt.

 

Montag, 21. Januar 2013

Social Media Im Bundestag

Dieses kleine Blog beobachtet seit Ende 2010 schwerpunktmäßig die Hamburger Politik - also die Parteien, die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft, die Bezirksversammlungen und ab und an auch den Hamburger Senat. Der Fokus liegt dabei stark auf der Nutzung der sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter, YouTube und Co.

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Anfang des Bundestagswahl-Jahres 2013 soll mein Blick nun einmal über die Grenzen der Hansestadt hinaus gehen. Da ich einen Überblick über die Nutzung von Social Media im Bundestag vermisse, habe ich mich in den vergangenen Tagen hingesetzt und mithilfe von Pluragraph.de selbst durchgezählt, wie die 620 Bundestagsabgeordneten die verschiedenen Netzwerke Facebook, Twitter, Google+, YouTube und XING nutzen.

Dies ist ein rein quantitativer Überblick, Stand ist Montag, der 21. Januar 2013.

An anderen Stellen wurden bereits die Aktivitäten der Abgeordneten in den verschiedenen Netzwerken (.pdf) qualitativ analysiert oder für einzelne Netzwerke wie Twitter Übersichten geschaffen und die Nutzung für ein Netzwerk analysiert.

Insgesamt nutzen 86 Prozent aller Bundestagsabgeordneten mindestens ein soziales Netzwerk zur Kommunikation mit dem Bürger.

Hier nun eine komplette Übersicht über die wichtigsten Netzwerke.


Wie nutzen die Abgeordneten Facebook?


Logo facebook







471 der 620 Abgeordneten haben ein eigenes Facebookprofil.
76 % der Bundestagsabgeordneten sind bei Facebook angemeldet.

348 von 620 Abgeordenten nutzen ein persönliches Profil.
56,1 % der Bundestagsabgeordneten kommunizieren über private Profile.

226 von 620 Abgeordneten haben eine Fanseite.
36,5 % der Bundestagsabgeordneten haben sich für die Nutzung einer Seite entschieden. 

Einen Überblick über alle Facebook-Fanseiten der Bundestagsabgeordneten liefert das Social-Media-Analyse-Portal Pluragraph.de hier.   

Die Facebook-Nutzung nach Fraktionen 

 

Logo CDU/CSU-Fraktion im Bundestag
CDU/CSU-Bundestagsfraktion 

165 von 237 Abgeordneten haben ein Facebook-Profil = 69,5%
109 von 237 Abgeordneten nutzen ein persönliches Profil = 46%
  82 von 237 Abgeordneten haben eine Fanseite = 34,6%







Logo SPD-Bundestagsfraktion SPD-Bundestagsfraktion

105 von 146 Abgeordneten haben ein Facebook-Profil = 72%
  79 von 146 Abgeordneten nutzen ein persönliches Profil = 54,1%
  51 von 146 Abgeordneten haben eine Fanseite = 34,9%




Logo FDP-Bundestagsfraktion
FDP-Bundestagsfraktion 

  78 von 93 Abgeordneten haben ein Facebook-Profil = 84%
  63 von 93 Abgeordneten nutzen ein persönliches Profil = 67,7%
  30 von 93 Abgeordneten haben eine Fanseite = 32,3%






Logo Linksfraktion im Bundestag    Linksfraktion  

  65 von 76 Abgeordneten haben ein Facebook-Profil = 85,5%
  49 von 76 Abgeordneten nutzen ein persönliches Profil = 64,5%
  33 von 76 Abgeordneten haben eine Fanseite = 43,4%







Logo Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag   Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion  

  59 von 68 Abgeordneten haben ein Facebook-Profil = 85,3%
  48 von 68 Abgeordneten nutzen ein persönliches Profil = 70,1%
  29 von 68 Abgeordneten haben eine Fanseite = 42,6%



Da einige Abgeordnete sowohl eine Fanseite als auch ein persönliches Profil pflegen, sind die beiden Zahlen nicht einfach summierbar. Aus diesem Grund habe ich diese Zahlen auch unabhängig von einander ausgewiesen. 


Wie nutzen die Abgeordneten Twitter?

Logo Twitter








311 der 620 Abgeordneten haben einen eigenen Twitter-Account.
Dies entspricht 50,2 % der Bundestagsabgeordneten.

Einen Überblick über alle Twitter-Accounts der Bundestagsabgeordneten liefert das Social-Media-Analyse-Portal Pluragraph.de hier.   


Logo CDU/CSU-Fraktion im Bundestag
CDU/CSU-Bundestagsfraktion 


93 von 237 Abgeordneten haben einen Twitter-Account.
Dies entspricht:  39,2%








Logo SPD-Bundestagsfraktion SPD-Bundestagsfraktion


64 von 146 Abgeordneten haben einen Twitter-Account.
Dies entspricht: 43,8%




Logo FDP-Bundestagsfraktion   


  FDP-Bundestagsfraktion 


  57 von 93 Abgeordneten haben einen Twitter-Account.
  Dies entspricht: 61,3%





Logo Linksfraktion im Bundestag    Linksfraktion  


  45 von 76 Abgeordneten haben einen Twitter-Account.
  Dies entspricht: 59,2%






Logo Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag   
  Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion  
 

  51 von 68 Abgeordneten haben einen Twitter-Account.
  Dies entspricht: 75%








Wie nutzen die Abgeordneten YouTube?

Logo YouTube









254 der 620 Abgeordneten haben einen eigenen YouTube-Account.
Dies entspricht 41% der Bundestagsabgeordneten.


Logo CDU/CSU-Fraktion im Bundestag
CDU/CSU-Bundestagsfraktion 


79 von 237 Abgeordneten haben einen YouTube-Account.
Dies entspricht:  33,3%








Logo SPD-Bundestagsfraktion SPD-Bundestagsfraktion


73 von 146 Abgeordneten haben einen YouTube-Account.
Dies entspricht: 50%




Logo FDP-Bundestagsfraktion   


  FDP-Bundestagsfraktion 


  45 von 93 Abgeordneten haben einen YouTube-Account.
  Dies entspricht: 48,4%





Logo Linksfraktion im Bundestag    Linksfraktion  


  20 von 76 Abgeordneten haben einen YouTube-Account.
  Dies entspricht: 26,3%






Logo Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag   
  Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion  
 

  37 von 68 Abgeordneten haben einen YouTube-Account.
  Dies entspricht: 54,4%









Wie nutzen die Abgeordneten XING? 



Logo XING





155 der 620 Abgeordneten haben ein XING-Profil.
Dies entspricht genau 25% der Bundestagsabgeordneten.


Logo CDU/CSU-Fraktion im Bundestag
CDU/CSU-Bundestagsfraktion 


65 von 237 Abgeordneten haben ein XING-Profil.
Dies entspricht:  24,3%








Logo SPD-Bundestagsfraktion SPD-Bundestagsfraktion


29 von 146 Abgeordneten haben ein XING-Profil.
Dies entspricht: 19,9%




Logo FDP-Bundestagsfraktion   


  FDP-Bundestagsfraktion 


  46 von 93 Abgeordneten haben ein XING-Profil.
  Dies entspricht: 49,5%





Logo Linksfraktion im Bundestag    Linksfraktion  


  1 von 76 Abgeordneten hat ein XING-Profil.
  Dies entspricht: 1,3%






Logo Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag   
  Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion  
 

  14 von 68 Abgeordneten haben ein XING-Profil.
  Dies entspricht: 20,6%









Wie nutzen die Abgeordneten Google+? 


Logo Google+







100 der 620 Abgeordneten haben ein Google+ Profil.
Dies entspricht 16,1% der Bundestagsabgeordneten.

Für den Überblick über alle Google+-Profile der Bundestagsabgeordneten habe ich einen Kreis bei Google+ erstellt, in dem komischerweise nicht alle 100 Profile öffentlich angezeigt werden.  


Logo CDU/CSU-Fraktion im Bundestag
CDU/CSU-Bundestagsfraktion 


28 von 237 Abgeordneten haben ein Google+ Profil.
Dies entspricht: 11,8%








Logo SPD-Bundestagsfraktion SPD-Bundestagsfraktion


23 von 146 Abgeordneten haben ein Google+ Profil.
Dies entspricht: 15,6%




Logo FDP-Bundestagsfraktion   


  FDP-Bundestagsfraktion 


  16 von 93 Abgeordneten haben ein Google+ Profil.
  Dies entspricht: 17,2%





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  16 von 76 Abgeordneten haben ein Google+ Profil.
  Dies entspricht: 21,1%






Logo Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag   
  Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion  
 

  17 von 68 Abgeordneten haben ein Google+ Profil.
  Dies entspricht: 25%








Neben den hier aufgeführen meist genutzten Netzwerken besitzen einige Mitglieder des Bundestages zudem Accounts in folgenden weiteren sozialen Netzwerken: flickr, wer-kennt-wen.de, Pinterest, LinkedIn, myspace und MeinVZ.

Aufgrund der geringen Nutzerzahlen verzichte ich aber auf eine Darstellung dieser Netzwerke.

Ich bin sehr gespannt, ob sich die Nutzerzahlen in Richtung Bundestagswahl noch verändern werden. Dies ist anzunehmen, wird Social Media doch bisher leider schwerpunktmäßig als reines Wahlkampfinstrument und nicht als Plattform für den kontinuierlichen Dialog mit dem Bürger - auch zwischen den Wahlen - gesehen. 

Was mich erfreut sind die hohen Nutzerzahlen bei Facebook und Twitter. Spannend wäre nun eine anschließende breite Analyse der qualitativen Nutzung der Netzwerke. Dafür übergebe ich an die Wissenschaft und freue mich auf den Abschlussbereicht des ISPRAT-Projektes "Politiker im Netz", der Anfang 2013 erscheinen soll.

Nachtrag: 
Eine etwas ausführlichere Analyse der Zahlen habe ich beim Think Tank polisphere.eu gebloggt. Und im Blog von Bundestagsradar.net gibts wunderschöne Grafiken aus meinen Zahlen. 



Freitag, 11. Januar 2013

Das Wahlplakat im Plakatierungsdilemma – Befragung zur Wirkung von Wahlplakaten


Wahlplakat Dirk Marx (CDU)
Vor zwei Jahren, im Februar 2011 standen sie in Hamburg an jeder Ecke, aktuell verschönern Wahlplakate Niedersachsen. Während der letzten Hamburger Bürgerschaftswahl veröffentlichte ich an dieser Stelle Postings zu den schönsten, den skurrilsten, den kreativsten und den mutigsten Plakaten der Parteien. 

Doch welche Wirkung haben Wahlplakate eigentlich auf den Wähler und welchen Einfluß auf die Wahlentscheidung?

Diesen Fragen sind Prof. Dr. Jan Lies und Laura Stefanelli von der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) mit einer Befragung zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2011 nachgegangen.

Ich freue mich hier ihren Gastebeitrag zur Studie veröffentlichen zu können. 

Das Wahlplakat im Plakatierungsdilemma


Das Wahlplakat hat grundsätzlich einen hohen bzw. den höchsten Stellenwert als Wahlkampfinstrument bei allen Parteien. Das zeigt eine Befragung der Hamburger Parteien durch die Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK). Diese Einschätzung schlägt sich auch im eingesetzten Wahlkampfbudget nieder: Das Wahlplakat nimmt zwischen 18 und 43 Prozent des Gesamtbudgets ein. 

Durchwachsene Erwartungen an das Wahlplakat

 

Zeitgleich sind die Erwartungen an seine Wirkung eher durchwachsen: Die Aufmerksamkeitsstärke bewerteten die Parteien in Schulnoten eher mittelmäßig. Die Einschätzung des Verständnisses von Wahlplakatbotschaften fiel insgesamt noch schlechter aus: Die CDU vergab hier sogar ein „mangelhaft“.

Das Internet wird in Bezug auf den Stadtstaat Hamburg nicht als großer Konkurrent des Wahlplakats eingeordnet, da aufgrund der hohen Besiedlungsdichte Wahlplakate im Stadtbild Sichtbarkeit erzeugen und die Streuverluste im Vergleich zum Internet sehr gering ausfallen.

Die Wirkungsmessung der im Wahlkampf eingesetzten Instrumente wird dem hoch angesiedelten Stellenwert des Wahlplakats nicht gerecht: Alle befragten Parteien gaben an, aus Kostengründen keine umfassende Evaluation der einzelnen Wahlkampfinstrumente vorzunehmen.

Der Einsatz von Wahlplakaten wird stark durch das so genannte „Plakatierungsdilemma“ geprägt: Alle Parteivertreter äußerten, dass sie - unabhängig von der tatsächlichen Wirkung des Plakats - nicht auf das Plakatieren verzichten würden, aus Angst, andernfalls zwischen den anderen Parteien beim Rezipienten negativ aufzufallen und intransparent zu erscheinen. Das Dilemma besteht also in einer überschaubaren Wirkungserwartung des Plakats auf der einen Seite und den Erwartungen auf Basis von Tradition auf der anderen Seite. – Wie bewerten die Bürger das Wahlplakat?

Was sagen die Bürger?


100 Prozent der Befragten gaben an, noch nie eine Partei aufgrund eines Wahlplakats gewählt zu haben. Als Informationsquelle reiht sich das Wahlplakat an zweiter Stelle hinter dem Fernsehen ein. 

Den grundsätzlichen Einsatz von Wahlplakaten, unabhängig von ihrer Funktion, empfanden 42 Prozent der Befragten als störend. Die anderen 58 Prozent dagegen nicht. Dabei zeigt sich jedoch ein Gefälle zwischen den Altersgruppen: Während 80 Prozent der Wähler zwischen 18 und 45 Jahren Wahlplakate nicht als störend empfanden gaben in der Altersgruppe 45 bis70+ immerhin 64 Prozent an, sich gestört zu fühlen.

Funktionen des Wahlplakats aus Sicht der Bürger (in Prozent)




















Die wesentliche Funktion, die das Wahlplakat erfüllt, liegt mit 78 Prozent Zustimmung in der Erzeugung von Aufmerksamkeit. Der Übermittlung von Botschaften stimmten jedoch nur 20 Prozent der Befragten zu.

Wie schwer es ist, einfachste Informationen – wie beispielsweise den Absender - via Wahlplakat zu übermitteln zeigte ein Wiedererkennungstest: Nur 46 Prozent der Befragten waren am Ende des Interviews noch dazu in der Lage, ein Plakat, welches sie am Anfang des Interviews gesehen hatten, der richtigen Partei (ÖDP Hamburg) zuzuordnen.

Bewertung der Wahlplakate zur Hamburgischen Bürgerschaftswahl 2011

 

Psychologisch betrachtet ist die Aufmerksamkeit, die man einem visuellen Reiz widmet, abhängig davon, wie ansprechend dieser vom Rezipienten empfunden wird. Kurz: Der Schlüssel zur positiven Wahrnehmung eines Plakats bzw. der Informationsverarbeitung ist dessen optische Gestaltung. Deshalb wurden die Befragten dazu aufgefordert, die Wahlplakate der vergangenen Bürgerschaftswahl in Schulnoten zu bewerten. Die Bewertung fiel dabei insgesamt schlecht aus. 



Durchschnittsnote

CDU
  3,3

SPD
  3,4

GAL
  3,4

FDP
  3,5

Piratenpartei
  3,7

Die LINKE
  4,1

Bewertung der Wahlplakate in Schulnoten
Plakate, die Personen abbildeten wurden besser bewertet, als die ohne. Personalisierung scheint ein wichtiges Element bei der Gestaltung zu sein.

Keines der gezeigten Wahlplakate motivierte die Befragten im hohen Maße, sich weitere Informationen zu einer Partei einzuholen, geschweige denn eine der Parteien zu wählen. Den relativen Spitzenwert erreichte in beiden Fällen die CDU mit einer Zustimmung von gerade mal 20 Prozent. 

Einen Überblick über die Plakatmotive der Parteien zur Bürgerschaftswahl 2011 finden Sie hier.

 

Fazit


Sowohl das „Plakatierungsdilemma“ als auch die mangelhafte Evaluation des Wahlplakats lähmen die Optimierung des individuell auf den eigenen Wahlkampf zugeschnittenen Kommunikationsinstrumentariums der Parteien. 

Es zeigen sich Unterschiede in der Wahrnehmung nach Altersgruppen. Parteien könnten entsprechend dazu übergehen die Zielgruppenansprache verstärkt zu individualisieren. Sozioökonomische Kategorien können dabei ebenso eine Rolle spielen, wie die Parteinähe eines potenziellen Wählers.

42 Prozent der 50 Befragten gaben an, sich durch das Wahlplakat gestört zu fühlen – eine beträchtliche Zahl, die grundsätzlich die Frage aufwirft, ob das Wahlplakat überhaupt noch ein geeignetes Kommunikationsinstrument darstellt. Betrachtet man die Tatsache, dass das Wahlplakat hauptsächlich eine Signalfunktion für die bevorstehende Wahl erfüllt, so könnte in Erwägung gezogen werden, parteiübergreifend zu Plakatieren (reine Wahl-Hinweise) und die Partei-Werbung auf andere, kostengünstigere Kanäle zu lenken. Damit würde auch das „Plakatierungsdilemma“ umgangen.


Die Autoren:

Prof. Dr. Jan Lies ist Professor für PR- und Kommunikationsmanagement an der MHMK in Hamburg und freier Kommunikationsberater. http://www.jan-lies.de/










Laura Stefanelli hat ihre Bachelorarbeit über das Wahlplakat an der MHMK in Hamburg geschrieben und ist nun Masterstudentin an der Leuphana in Lüneburg.

  








Diskussion: Eine erste Replik auf die hier dargestelltte Studie gibt es im krflo-Blog von Florian Krumbeck.